Seine letzten Worte sollen eine Bitte voll christlicher Demut gewesen sein.
"Bruder Rainald, ich kenne Euch gut und alle, die hier sind: Betet für mich zu Gott!"
So starb am 29. November 1314 ein Monarch, der zu Lebzeiten nicht für seine Frömmigkeit bekannt gewesen war. Eher schon als Muster eines Machiavellisten. Der französische König Philipp der Schöne schreckte nicht davor zurück, sich am Papst zu vergreifen. Mit List und Tücke gelang es ihm, den Ritterorden der Templer zu vernichten. Entsprechend schlecht war sein Ruf bereits bei zeitgenössischen Chronisten, wie der Historiker Pierre Monnet feststellt.
"Das fängt damit an, dass man ihn als unemotional beschreibt. Im Mittelalter, wissen Sie, die Leute, auch die Könige, sind sehr emotional geprägt ... So ist dieser Mensch, dieser Mann Philipp IV. nicht. Der ist sehr starr, immer in einer Position des Souveräns, also keine Mimik, keine Gestik, und gilt als autoritär."
Erst 17 Jahre alt war Philipp, als er 1285 den Thron bestieg. Als er 29 Jahre später starb, hatte er Frankreich um das Königreich Navarra, die Stadt Lyon und andere Gebiete vergrößert. Und er hatte das Land verändert. Philipp umgab sich mit Rechtsgelehrten und Experten bürgerlicher Herkunft, drängte den Einfluss des Adels zurück. Aus heutiger Sicht kann Philipp als Modernisierer gelten.
"Modernität kann man, natürlich mit allem Vorbehalt, aber doch das Wort benützen, indem man diesen König mit einer Periode verbinden kann, in der Frankreich wirklich zu einer zentralisierten Monarchie wird."
Erfinder der Kapitalertragssteuer
Philipp unterwarf die Gerichte der Kirche und der adligen Feudalherren der Rechtsprechung des Parlaments in Paris als oberster Berufungsinstanz. Er verbot Geistlichen, weltliche Ämter zu bekleiden. Er versuchte, ein regelmäßiges Steuersystem einzuführen, erfand die Mehrwert- und die Kapitalertragssteuer. Um die Durchsetzung einer einheitlichen Staatsgewalt ging es auch in den vier Großkonflikten seiner Regierungszeit. Den Kriegen gegen seine mächtigsten Lehensträger, den König von England und den Grafen von Flandern. Der Auseinandersetzung mit dem Papst und dem Templerorden.
"Wenn man wirklich das auf einen gemeinsamen Nenner bringen will, dann würde ich das Wort Souveränität oder Hoheit des französischen Königs zusammenfassen."
Den Zorn des Papstes erregte Philipp, weil er Steuern von der Kirche erhob. Er ließ zudem einen Bischof festnehmen, den er als Anstifter einer Verschwörung verdächtigte. Mit beidem hatte er sich an unantastbaren kirchlichen Privilegien vergriffen.
"Ich werde deinen König zugrunde richten und einen anderen auf den Thron Frankreichs setzen."
So soll Papst Bonifaz VIII. gegen einen Abgesandten Philipps gewütet haben. Es war der letzte Schlagabtausch des Machtkampfs zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt im Mittelalter. Bonifaz war von der Überzeugung durchdrungen, dass dem Papst auch in weltlichen Dingen die Herrschaft über alle christlichen Königreiche zustehe. An Philipp schrieb er:
"Lass dir nicht einreden, geliebter Sohn, dass du niemanden über dir hast und nicht dem Oberhaupt der kirchlichen Hierarchie unterworfen bist."
Dies freilich stieß auf den Widerspruch einer bürgerlichen und gelehrten Öffentlichkeit in Frankreich, die sich mit dem König solidarisierte.
"Christus hat keine weltliche Macht ausgeübt. Er hat Petrus nicht als Ritter bewaffnet oder zum König gekrönt, sondern zum Priester geweiht."
Schließlich betrieb Philipp die Absetzung des Papstes und versuchte 1303 sogar, ihn in seiner Residenz festnehmen zu lassen. Einen Monat später starb Bonifaz. Skrupulös in der Wahl seiner Methoden war dieser König nicht. Dafür stets knapp bei Kasse. Die Juden bekamen das zu spüren, die er vertrieb, um sich ihr Vermögen anzueignen. Auch die Templer: An die Anklage gegen sie – Ketzerei und Homosexualität - hat er selber wohl nicht geglaubt. Ihm ging es um den vermuteten Reichtum des Ordens.
Und dennoch: Als Erneuerer seines Staates war Philipp seiner Zeit weit voraus.
Und dennoch: Als Erneuerer seines Staates war Philipp seiner Zeit weit voraus.
Pierre Monnet:
"Man neigt immer noch dazu, zu sagen in Frankreich: Erst mit dem Hundertjährigen Krieg ist Frankreich in die Modernität geraten. Das glaube ich nicht. Diese Grundtendenz, die hat schon vorher angefangen, und zwar um diese Wende des 13./14. Jahrhunderts."