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König: Rauschenberg machte das Dogmatische unmöglich

Für Kasper König, Direktor des Museum Ludwig in Köln, gilt der Künstler Robert Rauschenberg zu Recht als Vorreiter der Pop-Art. Rauschenberg sei mit seiner Vielzahl von Methoden eine sehr vitale Figur gewesen, die immer quergedacht habe.

Moderation: Karin Fischer |
    Karin Fischer: Am Telefon ist jetzt Kasper König, Direktor des Museum Ludwig in Köln. Herr König, Sie haben Rauschenberg vor nicht allzu langer Zeit bei einem seine berühmten Happenings mit Merce Cunningham und Chuck Close zusammen erlebt. Wie war das, wenn er in Aktion trat?

    Kasper König: Das ist eine wunderbare Geschichte. Die habe ich aber nur gehört von Leuten, die dabei waren. Er hat eine Ausstellung gehabt im Metropolitan Museum mit seinen Combines. Das sind Arbeiten aus den Mitte der 50er Jahre. Davon hat das Museum Ludwig vier ganz wichtige, es gibt etwa 15, 16. Und die sind dort ausgestellt worden, und zur Eröffnung hat es eben ein Treffen gegeben von drei Künstlern, die im Rollstuhl saßen. Herr Rauschenberg, der hat in den letzten Jahren sehr viel im Rollstuhl sitzen müssen, war schwer lädiert und immer wieder fit und dann wieder ging es ihm schlecht. In jedem Falle war das der große Tänzer Merce Cunningham.

    Fischer: Für den er auch viel Bühnenbild gearbeitet, gemacht hat?

    König: Zusammen mit Cage hat er sehr viel, und nicht nur Bühnenbild, sondern er hat auch diese ganze Art-in-Technology, wo Ingenieure, Wissenschaftler und Künstler zusammen was gemacht haben. Das hat Rauschenberg auch weitgehend initiiert und finanziert. Auf jeden Fall gab es da diese Heiligen Hallen vom Metropolitan Museum. Der Chuck Close, der sitzt in einem mechanischen Rollstuhl, in einer ganz perfekten Maschine. Der hatte einen bösen Unfall und ist gelähmt, arbeitet aber weiterhin. Und der Cunningham war in einem konventionellen Rollstuhl mit irgendwie einer Begleitung, ist aber eben ein Tänzer und ungeheuer körperbewusst und dann der Rauschenberg. Und die haben ein Rennen gefahren. Und der Rauschenberg ist ein unglaublich charmanter, liebenswürdiger Mann gewesen und hat dem Chuck Close dem Weg abgeschnitten, sodass Cunningham der Gewinner war.

    Fischer: Die Kunst, wie sie das Leben schreibt. Herr König, er war so unendlich vielseitig in seiner Malerei wie in seinen Materialien, wie in seinen Bildkompositionen. Wenn er kein Avantgardekünstler sein wollte, was war das für ein Moment, auch mal politisch betrachtet, was für ein Movens, das ihn antrieb?

    König: Ich glaube, der war zu, das war kein Intellektueller, aber ungeheuer wacher Mensch. Und er wusste, dass diese Idee der Avantgarde eigentlich fragwürdig ist, wenn man zugleich solch eine Prominenz hat. Das ist ein Widerspruch, der eigentlich wenig Sinn macht. Natürlich war er insofern schon einer, der immer quer gedacht hat und unglaublich erfindungsreich war, auch wenn er nicht unbedingt etwas wirklich total Neues erfunden hat. Aber er hat eben einen Ausstieg aus dem Bild erprobt und gilt zu Recht als der Vorläufer der Pop-Art und das gar nicht so sehr vom Programm her, sondern von den Methoden, von der Vielfalt, wie er methodisch gearbeitet hat. Und der Rauschenberg ist eine unglaubliche vitale Figur gewesen. Der ist auch extrem wichtig zu einem Zeitpunkt vielleicht, wo auch eine gewisse Erstarrung in New York passiert ist und so eine zweite Generation der abstrakten Expressionisten. Er ist der heroische Durchbruch in den 40er Jahren während des Krieges, wo viele wichtige intellektuelle Künstler und so, emigrierten nach Amerika. Und dann war es natürlich für die amerikanischen Künstler wichtig, sich freizuschwimmen. Das ist eben Pollock, der diesen totalen Durchbruch gemacht hat, ein wirklich endlos abstraktes Bild, einen neuen Bildraum gedacht hat. Und dann kam eben Jasper Jones und Rauschenberg und haben das von innen geöffnet und das Dogmatische irgendwie unmöglich gemacht. So wie Jasper Jones die amerikanische Fahne gemalt hat, als Vorwand, um ein Bild zu machen, so hat Rauschenberg eben diese Combines gemacht, die immer wieder auch Bezug genommen haben auf die Kunstgeschichte.

    Sie kennen vielleicht, oder viele Ihrer Zuhörer kennen diese wunderbare Arbeit vom Rauschenberg hier im Museum, die heißt "Haremsfrau" oder "Odalisque". Und das ist ein Bezug auf ein Bild und da gibt es eben einen Gockel. Und dieser Gockel sitzt auf einem Kasten, und dieser Kasten ist ein intimer Innenraum mit Pin-ups und dann aber auch Bildern von totalen Macho-Männlichkeit, geradezu übersteigert von Baseball-Spielern und Boxern und so etwas und dann eben diese sehr subtile orientalische Erotik. Und das Ganze ist dann noch mal auf einem Pfosten. Und dieser Pfosten steckt auf einem großen weißen Kissen, der gequetscht wird. Da gibt es eine Vielzahl von Assoziationen und es ist eben kein Bild, sondern es ist ein Objekt. Und man geht um dieses Objekt herum, fast wie um ein Totem. Und in diesem Kasten, der ganz billig zusammengezimmert ist, gibt es auch eine kleine Lampe. Das hat so was, so wie ein Kind, was unter der Decke liest und nicht erwischt werden will. Es gibt ein spielerisches Moment, was wirklich ganz toll ist und eine unglaubliche Zartheit zugleich, ein Robustheit, nicht zimperlich und dann aber ganz, ganz subtile zarte Töne. Und das ist eigentlich, was den Rauschenberg wirklich auszeichnet. Der hatte eine unglaubliche Kollegialität, hat sehr viele Künstler, experimentelle Künstler auch unterstützt. Und dann hat er auf die ganz große Geste bestanden. Es gibt zum Beispiel ein Historienbild zum Tod von Kennedy. Und das kann sich messen an großen Vorbildern, und es ist zugleich direkt, es ist optimistisch und sehr amerikanisch in einem positiven Sinne.

    Fischer: Ganz herzlichen Dank an Kasper König für diese Gedanken und für diese Schilderungen des Werks von Robert Rauschenberg, der im Alter von 82 Jahren gestorben ist. Kasper König ist der Direktor des Museum Ludwig in Köln.