Sarah Zerback: Einschätzungen zur politischen Dimension dieses Treffens, die konnten wir uns kurz vor dieser Sendung holen von Michael Lüders, lange Jahre Nahost-Korrespondent der "Zeit" und heute Politik- und Wirtschaftsberater sowie Publizist. Ihn habe ich zunächst gefragt, ob das nun der Beginn einer wunderbaren Freundschaft ist.
Michael Lüders: So würde sich das wahrscheinlich der saudische König vorstellen wollen. Aber es ist in erster Linie ein symbolischer Besuch, natürlich ein wichtiger Besuch insoweit, als es zum ersten Mal überhaupt ist, dass ein saudischer Herrscher seit der Gründung Saudi-Arabiens 1932 sich nach Moskau begibt. Das wird keinen diplomatischen oder politischen Durchbruch bedeuten in den doch eher angespannten Beziehungen zwischen Moskau und Riad, aber es ist doch eine Zäsur. Saudi-Arabien erkennt damit an, dass in der Region des Nahen und Mittleren Ostens Russland eine wichtige, zunehmend wichtige Rolle spielt, vor allem, weil der Krieg gegen Baschar al-Assad und sein Regime gescheitert ist von Seiten derer, die ihn um jeden Preis stürzen wollten, und das stärkt die Rolle Russlands und schwächt die USA.
Die Schlüsselrolle des Krieges in Syrien
Zerback: Sie haben es gerade angesprochen: In der Vergangenheit gab es da eher Eiszeit, nicht zuletzt wegen der unterschiedlichen Positionen im Bürgerkrieg in Syrien. Warum dann gerade jetzt? Warum gerade dieser Besuch zu dieser Zeit?
Lüders: Es hängt wesentlich damit zusammen, dass die Verhältnisse im Nahen Osten gerade dabei sind, sich völlig neu zu sortieren. Die Türkei beispielsweise hat schon Mitte des vorigen Jahres erkannt, dass der Versuch, das Assad-Regimes zu stürzen, wohl nicht mehr funktionieren wird. Spätestens mit der Rückeroberung Ostaleppos im vorigen Dezember, als es dem Regime von Assad und den Verbündeten Russen und Iranern gelungen ist, die letzten Dschihadisten, die letzten Aufständischen aus Ostaleppo zu vertreiben, war klar, dass der Krieg erst einmal entschieden ist. Die Türken haben sich rechtzeitig schon umorientiert und haben nunmehr gute Beziehungen zu Russland und auch zum Iran, und Saudi-Arabien hat erkannt, dass seine Diplomatie gescheitert ist. Man wollte den Iran schwächen um jeden Preis, durch den Sturz von Assad, der ja eng mit dem Iran verbündet ist, aber das ist gescheitert, und nun braucht Saudi-Arabien neue Verbündete.
Starke Bande mit den USA
Zerback: Den Einfluss Teherans, den sollte ja eigentlich auch Donald Trump beziehungsweise die USA sollten helfen, den einzudämmen. Die haben aber bisher Riad wenig unterstützt. Ist das jetzt die Folge, die wir da sehen?
Lüders: Ja, in der Tat. Der Iran profitiert enorm von den Fehlern, die gemacht worden sind in der Vergangenheit. Saddam Hussein wurde 2003 gestürzt, dann kamen die Schiiten an die Macht im Irak, und diese Schiiten in Bagdad haben sich gut verstanden und verstehen sich immer noch mit den Schiiten im Iran. Und das Ergebnis ist, dass zunächst einmal der Iran im Irak gestärkt wurde. Der Versuch, Assad zu stürzen, eines engen Verbündeten von Teheran, ist ebenfalls gescheitert. Und auch der Krieg, den Saudi-Arabien im Jemen führt, richtet sich indirekt gegen den Iran, aber Saudi-Arabien kommt dort ebenfalls militärisch nicht weiter. Kurzum: Die saudische Diplomatie ist ein Desaster und sie muss sich neu erfinden, und der Iran ist für den Augenblick jedenfalls der große strategische Gewinner in der Region.
Zerback: Sie haben vorhin von einem Besuch mit hohem Symbolwert gesprochen. Ist das denn eher ein Zeichen nach außen, nach Washington in dem Fall, oder würden Sie da von einer wirklichen Annäherung sprechen?
Lüders: Die saudische Führung ist daran interessiert, ihre Beziehungen zu Russland zu normalisieren, und sicherlich will man auch den Amerikanern klar machen, dass man nicht um jeden Preis mit den Amerikanern zusammenarbeiten wird, wenn die Amerikaner nicht entschlossener vor allem gegen den Iran vorgehen. Aber nichts desto trotz: Es wird sich die Politik nicht grundlegend verändern, denn die Saudis sind militärisch, politisch und wirtschaftlich so eng verflochten mit den USA, dass eine Neuorientierung kaum vorstellbar erscheint.
"Neuerfindung" Saudi-Arabiens
Zerback: Und umgekehrt? Wird denn der Besuch Einfluss haben auf die Beziehungen zwischen Moskau und Teheran?
Lüders: Moskau und Teheran, die Beziehungen könnten im Augenblick enger nicht sein. Es ist eine neue Allianz entstanden zwischen den Russen, den Iranern und der Türkei, und die profitieren davon, dass die amerikanische Politik unter Donald Trump eher ratlos ist, was man jetzt im Nahen Osten tun möchte. Es geht wohl vor allem den Amerikanern darum, den Iran zu schwächen, aber wie sie das anstellen wollen, das steht gegenwärtig in den Sternen.
Zerback: Jetzt gibt es ja weiter Probleme. Auch das wurde heute deutlich, als der saudische König noch mal eine Warnung ausgesprochen hat Richtung Teheran. Er hat sinngemäß gesagt, der Iran solle sich im Nahen Osten nicht einmischen. In Syrien unterstützt Iran Russland. Hat König Salman hier über Bande gespielt, oder wie muss man das bewerten?
Lüders: Ich glaube, dass der saudische König versucht, sich neu zu erfinden und Saudi-Arabien neu zu erfinden. Der Thronnachfolger, der sehr jung ist, erst Ende 20, der Sohn des jetzigen Königs, er hat ja auch maßgeblich dafür Sorge getragen, dass Frauen jetzt Auto fahren dürfen in Saudi-Arabien. Das war seine Initiative. Saudi-Arabien möchte sich modernisieren, möchte sich anpassen an die moderne Welt und sich vorsichtig vorbereiten auf die Zeit nach dem Erdöl. Denn der Erdöl-Export wird nicht ewig mehr andauern können. Saudi-Arabien muss seine Wirtschaft diversifizieren und auch vor diesem Hintergrund ist man sehr interessiert an Investitionen aus Russland und vor allem China.
Zerback: … sagt Michael Lüders, Nahost-Experte. Besten Dank für das Gespräch.
Lüders: Vielen Dank.
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