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Königin der Herzen

Nymphe im schleierdünnen Hemdchen und Strümpfe strickende Hausfrau, Landesmutter und Kriegstreiberin, Schutzengel und Rachegöttin - schillernd und widersprüchlich sind die Bilder, die sich Zeitgenossen und Nachwelt von Königin Luise, die heute vor 200 Jahren starb, gemacht haben. Eine reale Gestalt ist darunter kaum noch zu erkennen. Dennoch - oder gerade deshalb - kann Luise bis heute faszinieren.

Von Ulrike Rückert |
    "Die Ankunft dieser engelschönen Fürstin verbreitete über jene Tage einen erhabenen Lichtglanz. Alle Herzen flogen ihr entgegen."

    Wie Friedrich de la Motte Fouqué waren die Berliner betört von der 17-jährigen Prinzessin Luise von Mecklenburg-Strelitz, als sie 1793 den preußischen Kronprinzen heiratete. Die Franzosen hatten ihren Monarchen geköpft, die europäischen Fürsten lagen im Krieg mit der Revolutionsarmee. Der Preußenkönig, der den Staatsschatz verprasste und mit Mätressen lebte, war bei seinen Untertanen als "Liederjan" verschrien. Kronprinz Friedrich Wilhelm stellte fest:

    "Die Französische Revolution gibt ein fürchterliches Beispiel für alle schlechten Regenten."

    Mit dem Prinzenpaar sahen die Bürger eine neue Zeit anbrechen, sahen statt höfischer Unmoral eine Liebesehe ganz nach dem neuen bürgerlichen Ideal.

    "Er gefällt mir in allen Stücken und ich gefalle ihm und uns ist am wohlsten, wenn wir zusammen sind."

    Zwar erhielten die Untertanen keine neuen Freiheiten, als das Paar 1797 die Herrschaft antrat. Doch schwärmte man vom "Bürger auf dem Throne" und von der "Königin der Herzen". Wo die Könige die Ideale der Bürger vorlebten, verspürten diese keinen Drang zur Revolution.

    In den Kriegen der Fürstenkoalitionen gegen Frankreich blieb Friedrich Wilhelm III. neun Jahre lang neutral - selbst noch, als Napoleon preußische Gebiete besetzte.

    "Mehr als ein König ist untergegangen, weil er den Krieg liebte; ich werde untergehen, weil ich den Frieden liebe."

    Um die Königin scharten sich Generäle und Staatsmänner, die auf Widerstand drängten.

    "Gewalt gegen Gewalt, das ist meiner Meinung nach das Einzige."

    1806 zog Friedrich Wilhelm doch noch gegen Napoleon in den Krieg, aber nur fünf Tage später war seine Armee fast vernichtet. Das Königspaar flüchtete nach Ostpreußen, doch von Napoleons Friedensbedingungen wollte Luise nichts wissen.

    "Ich bitte Dich, sei fest, standhaft, ganz Mann in der Sache."

    "Die Königin war der wahre Herrscher Preußens."

    So sah es Napoleon, der sie als "kriegslüsterne Amazone" schmähte.

    "Dieses höllische Wesen, das sich aus dem Kot emporgeschwungen hat!"

    Als in den Verhandlungen Preußens Existenz auf dem Spiel stand, rief Friedrich Wilhelm nach der Königin. Am 6. Juli 1807 trat Luise in Tilsit dem Kaiser der Franzosen gegenüber.

    "Trotz meiner Gewandtheit blieb sie stets Herrin der Unterhaltung, beherrschte sich immer und kam hartnäckig auf ihren Gegenstand zurück."

    Aber sie erreichte nichts. Preußen verlor die Hälfte seiner Provinzen und seiner Bevölkerung und wurde zu ruinösen Reparationen verpflichtet. Das Königspaar musste in Ostpreußen bleiben.

    "Sie hat den ganzen großen Gegenstand, auf den es jetzt ankommt, umfasst; sie versammelt alle unsere großen Männer um sich: ja, sie ist es, die das, was noch nicht zusammengestürzt ist, hält", "

    schrieb Heinrich von Kleist. Luise unterstützte die Staatsreformen von Stein und Hardenberg: die Bauernbefreiung, Selbstverwaltung der Städte, Gewerbefreiheit.

    " "Die göttliche Vorsehung leitet unverkennbar neue Weltzustände ein, und es soll eine andere Ordnung der Dinge werden, da die alte sich überlebt hat und in sich abgestorben zusammenstürzt."

    Als die Franzosen abgezogen waren, kehrte das Königspaar 1809 nach Berlin zurück. Im folgenden Sommer zog sich Luise eine Lungenentzündung zu, am 19. Juli 1810 starb sie, 34 Jahre alt. Kaum bestattet, wurde sie schon als Engel, als Heilige, als Himmelskönigin verklärt.

    " "Luise sei der Schutzgeist deutscher Sache,
    Luise sei das Losungswort zur Rache!", "

    dichtete Theodor Körner. Luise, hieß es, sei aus Kummer über Preußens Niederlage gestorben. In den Befreiungskriegen wurde sie Napoleons Nemesis, sein Untergang zu ihrem späten Sieg stilisiert. Ihr Sohn Wilhelm kniete 1870 an ihrem Sarg, bevor er gegen Napoleon III. in den Krieg zog, aus dem er als deutscher Kaiser zurückkehrte.

    Luise war die allgegenwärtige Nationalheilige des Kaiserreichs und nach dem Ersten Weltkrieg die Ikone der monarchistischen Rechten. Jetzt, zu ihrem 200. Todestag, wird sie in Berlin in einer Ausstellung als "It-Girl" und "Working Mom" gefeiert.