"Bist du es Verwirrerin Psyche,
Die sich mit schwarz-weißem Fächergeraschel
Über mich beugt,
Und die mit vertraulicher Rede
Mir sagen will, dass sie schon die Lethe
Hinter sich ließ, anderem Frühling vertraut?
Diktiere mir nichts, ich höre den Regen:
Wieder stemmt dem Dach er sich entgegen
Und flüstert im Efeu mit zärtlichem Ton."
Im von der deutschen Wehrmacht eingekesselten Leningrad beginnt Anna Achmatowa ihr "Poem ohne Held". In einer Zeit der Bedrohung von außen durch den Zweiten Weltkrieg und von innen durch die Unterdrückung in der stalinistischen Sowjetunion blickt die Dichterin Achmatowa zurück auf "Das Jahr 1913" und beschäftigt sich mit der untergegangenen Epoche des Silbernen Zeitalters. In jenen von Mythen und Legenden umrankten Jahren des Höhenflugs der Kultur zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebte Russland die Geburt der "Königin der russischen Literatur".
Am 23. Juni 1889 als Anna Gorenko geboren, lieh sie sich einen geheimnisvollen, nach Unabhängigkeit und Stolz klingenden Namen und wurde durch die poetische Alliteration zur poetischen Figur – Anna Andrejewna Achmatowa.
"Anna Achmatowa! Dieser Name ist ein gewaltiger Seufzer","
schreibt ihre Kollegin Marina Zwetajewa, und für dieses tiefe Seufzen sollte Achmatowas Liebeslyrik berühmt werden. Achmatowas erster Gedichtband "Der Abend" erschien 1912 und war ein Ereignis in der literarischen Welt.
Im Petersburger Künstlerkeller "Der Streunende Hund" war die Dichterin ständig umringt von Verehrerinnen und Verehrern, bei ihren Auftritten gebärdete sich die Jugend wie wild. Hier begann der Mythos der Achmatowa. Zur Ikonographie, die um Achmatowa herum entstand, gehören obligatorisch die Verweise auf ihr Profil mit der fein gebogenen Nase, ihren dunklen Teint, den geraden Pony, der ihre Stirn bedeckte, die fast singende Art des Vortrags ihrer Gedichte und ihr wichtigstes Attribut, den von den Schultern rutschenden Schal, die "berühmte lasurfarbene Stola".
""O Muse des Weinens, die schönste aller Musen!
O du, wilde Ausgeburt der weißen Nacht!
Du schickst einen Schneesturm über Russland,
und dein Wehklagen bohrt sich in uns wie Pfeile","
dichtete Marina Zwetajewa im Jahr 1916 und reihte sich ein in eine Vielzahl von Dichtern, die Achmatowa besangen. Achmatowa war auch beliebtes Modell von Malern, sie war die Dichterin jener Jahre, Primadonna, Diva, Star.
Der Oktobercoup der Bolschewiki im Jahr 1917 setzte eine Zäsur in der russischen und der Weltgeschichte sowie im Leben zahlloser Dichter und Intellektueller. Bald sprach man von einer Generation der "vergeudeten Dichter", die vom neuen Regime in den Tod getrieben wurde. Wer nicht die Flucht ergriff oder aus dem Land gejagt wurde, rettete sich in die innere Emigration.
Zehn Jahre nach ihrem ersten Gedichtband erschien 1922 die für fast zwei Jahrzehnte letzte Veröffentlichung Achmatowas. Ein geheimer Parteierlass der neuen Machthaber entthronte die Königin. Doch Achmatowa gehörte zu denen, die in der Sowjetunion blieben.
""Ich ließ mich nicht von meiner Heimat scheiden,
floh in die Fremde nicht vor der Gefahr.
Ich blieb bei meinem Volk in seinem Leiden,
Blieb, wo mein Volk zu seinem Unglück war."
Dieses Motto stellte Anna Achmatowa ihrem "Requiem" voran, in dem sie die "schrecklichen Jahre des Justizterrors" beschreibt und Zeugnis ablegt vom Unbeschreiblichen. Sie selbst blieb verschont von der Maschinerie des sowjetischen Terrors. Man quälte sie durch Angriffe auf ihre "Liebsten". Ihr erster Ehemann, der Dichter Nikolaj Gumiljow, wurde als angeblicher Konterrevolutionär erschossen, ihr Sohn verbrachte insgesamt zwölf Jahre in Lagerhaft und Verbannung.
"Ahntest du wohl, du geistreiche Spötterin,
Von so vielen geliebt und begehrt,
Du von all deinen Freunden Vergötterte,
Was dir noch das Leben beschert?!
Dass in endloser Schlange du stehen wirst,
Da das Jahr zu Ende geht.
Übers Los der Gefangenen schweigen sich
Die trostlosen Wände aus.
Nur die Äste der Pappeln neigen sich… "
Nachdem Anfang der 40er Jahre wieder einige ihrer Gedichte veröffentlicht worden waren, traf Achmatowa 1946 erneut der Bannstrahl der Partei. Erst zehn Jahre später, als Chruschtschow die Periode des Tauwetters nach der stalinistischen Unzeit einleitete, durfte sie in die Literatur zurückkehren. Die wichtigsten Werke ihres Schaffens nach 1935, ihr "Requiem" und ihr "Poem ohne Held", konnten in Russland jedoch erst zwei Jahrzehnte nach Achmatowas Tod unzensiert veröffentlicht werden.
Als letzte Überlebende des Silbernen Zeitalters starb Anna Achmatowa am 5. März 1966.
"Ich schlafe –
im Traum von der Jugend umfangen
Und SEINEN Kelch, der vorübergegangen,
Ich werd, wenn du willst,
Zum Angedenken ihn dir überreichen,
So mag er der Flamme im Öllämpchen gleichen
Oder dem Schneeglöckchen auf deinem Grab."
Die sich mit schwarz-weißem Fächergeraschel
Über mich beugt,
Und die mit vertraulicher Rede
Mir sagen will, dass sie schon die Lethe
Hinter sich ließ, anderem Frühling vertraut?
Diktiere mir nichts, ich höre den Regen:
Wieder stemmt dem Dach er sich entgegen
Und flüstert im Efeu mit zärtlichem Ton."
Im von der deutschen Wehrmacht eingekesselten Leningrad beginnt Anna Achmatowa ihr "Poem ohne Held". In einer Zeit der Bedrohung von außen durch den Zweiten Weltkrieg und von innen durch die Unterdrückung in der stalinistischen Sowjetunion blickt die Dichterin Achmatowa zurück auf "Das Jahr 1913" und beschäftigt sich mit der untergegangenen Epoche des Silbernen Zeitalters. In jenen von Mythen und Legenden umrankten Jahren des Höhenflugs der Kultur zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebte Russland die Geburt der "Königin der russischen Literatur".
Am 23. Juni 1889 als Anna Gorenko geboren, lieh sie sich einen geheimnisvollen, nach Unabhängigkeit und Stolz klingenden Namen und wurde durch die poetische Alliteration zur poetischen Figur – Anna Andrejewna Achmatowa.
"Anna Achmatowa! Dieser Name ist ein gewaltiger Seufzer","
schreibt ihre Kollegin Marina Zwetajewa, und für dieses tiefe Seufzen sollte Achmatowas Liebeslyrik berühmt werden. Achmatowas erster Gedichtband "Der Abend" erschien 1912 und war ein Ereignis in der literarischen Welt.
Im Petersburger Künstlerkeller "Der Streunende Hund" war die Dichterin ständig umringt von Verehrerinnen und Verehrern, bei ihren Auftritten gebärdete sich die Jugend wie wild. Hier begann der Mythos der Achmatowa. Zur Ikonographie, die um Achmatowa herum entstand, gehören obligatorisch die Verweise auf ihr Profil mit der fein gebogenen Nase, ihren dunklen Teint, den geraden Pony, der ihre Stirn bedeckte, die fast singende Art des Vortrags ihrer Gedichte und ihr wichtigstes Attribut, den von den Schultern rutschenden Schal, die "berühmte lasurfarbene Stola".
""O Muse des Weinens, die schönste aller Musen!
O du, wilde Ausgeburt der weißen Nacht!
Du schickst einen Schneesturm über Russland,
und dein Wehklagen bohrt sich in uns wie Pfeile","
dichtete Marina Zwetajewa im Jahr 1916 und reihte sich ein in eine Vielzahl von Dichtern, die Achmatowa besangen. Achmatowa war auch beliebtes Modell von Malern, sie war die Dichterin jener Jahre, Primadonna, Diva, Star.
Der Oktobercoup der Bolschewiki im Jahr 1917 setzte eine Zäsur in der russischen und der Weltgeschichte sowie im Leben zahlloser Dichter und Intellektueller. Bald sprach man von einer Generation der "vergeudeten Dichter", die vom neuen Regime in den Tod getrieben wurde. Wer nicht die Flucht ergriff oder aus dem Land gejagt wurde, rettete sich in die innere Emigration.
Zehn Jahre nach ihrem ersten Gedichtband erschien 1922 die für fast zwei Jahrzehnte letzte Veröffentlichung Achmatowas. Ein geheimer Parteierlass der neuen Machthaber entthronte die Königin. Doch Achmatowa gehörte zu denen, die in der Sowjetunion blieben.
""Ich ließ mich nicht von meiner Heimat scheiden,
floh in die Fremde nicht vor der Gefahr.
Ich blieb bei meinem Volk in seinem Leiden,
Blieb, wo mein Volk zu seinem Unglück war."
Dieses Motto stellte Anna Achmatowa ihrem "Requiem" voran, in dem sie die "schrecklichen Jahre des Justizterrors" beschreibt und Zeugnis ablegt vom Unbeschreiblichen. Sie selbst blieb verschont von der Maschinerie des sowjetischen Terrors. Man quälte sie durch Angriffe auf ihre "Liebsten". Ihr erster Ehemann, der Dichter Nikolaj Gumiljow, wurde als angeblicher Konterrevolutionär erschossen, ihr Sohn verbrachte insgesamt zwölf Jahre in Lagerhaft und Verbannung.
"Ahntest du wohl, du geistreiche Spötterin,
Von so vielen geliebt und begehrt,
Du von all deinen Freunden Vergötterte,
Was dir noch das Leben beschert?!
Dass in endloser Schlange du stehen wirst,
Da das Jahr zu Ende geht.
Übers Los der Gefangenen schweigen sich
Die trostlosen Wände aus.
Nur die Äste der Pappeln neigen sich… "
Nachdem Anfang der 40er Jahre wieder einige ihrer Gedichte veröffentlicht worden waren, traf Achmatowa 1946 erneut der Bannstrahl der Partei. Erst zehn Jahre später, als Chruschtschow die Periode des Tauwetters nach der stalinistischen Unzeit einleitete, durfte sie in die Literatur zurückkehren. Die wichtigsten Werke ihres Schaffens nach 1935, ihr "Requiem" und ihr "Poem ohne Held", konnten in Russland jedoch erst zwei Jahrzehnte nach Achmatowas Tod unzensiert veröffentlicht werden.
Als letzte Überlebende des Silbernen Zeitalters starb Anna Achmatowa am 5. März 1966.
"Ich schlafe –
im Traum von der Jugend umfangen
Und SEINEN Kelch, der vorübergegangen,
Ich werd, wenn du willst,
Zum Angedenken ihn dir überreichen,
So mag er der Flamme im Öllämpchen gleichen
Oder dem Schneeglöckchen auf deinem Grab."