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Demonstrationen in Polen
Körner (FDP) spricht von "Tag der Hoffnung" - EuGH spricht weiteres Urteil zu Justizreformen

Die polnische Opposition, die EU-Kommission, Europaparlamentarier - sie alle sehen die Rechtsstaatlichkeit in Polen in Gefahr. In der Hauptstadt Warschau protestierten gestern Hundertausende gegen die Politik der nationalkonservativen Regierungspartei PiS. Heute spricht der Europäische Gerichtshof ein weiteres Urteil zu den Justizreformen in Polen.

    Menschen halten Luftballons und Fahnen, während sie an einem Protest in der polnischen Hauptstadt Warschau gegen die Politik der PiS-Regierung teilnehmen.
    Proteste der Opposition in der polnischen Hauptstadt Warschau (Leszek Szymanski / PAP / dpa / Leszek Szymanski)
    Der FDP-Europapolitiker Körner sprach im Deutschlandfunk angesichts der Demonstrationen von einen "Tag der Hoffnung". Er forderte, die EU müsse einem Abbau der Demokratie in Europa stärker entgegentreten. Körners Ansicht nach sieht sich die polnische Regierung als Gegner der EU. Polen folge dem Vorbild Ungarns. Die EU könne solche Mitgliedsstaaten zwar nicht ausschließen, das sei aber eine grundsätzliche Frage, die sich mittlerweile stelle. Die EU sei kein Bankautomat, sondern eine Wertegemeinschaft, sagte Körner. Hier können Sie das ganze Interview als PDF nachlesen.

    Weiteres Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu Polen

    Auch die Angriffe auf die Unabhängigkeit der Justiz in Polen sieht das Mitglied im Ausschuss für Rechtsstaatlichkeit des EU-Parlaments mit Sorge. Am Nachmittag verkündet der Europäische Gerichtshof ein weiteres Urteil dazu. Dabei geht es um die Unabhängigkeit der polnischen Justiz bei der Überprüfung von EU-Recht sowie die Rechte von Richtern auf Achtung des Privatlebens. Polens nationalkonservative Regierung baut die Justiz des Landes seit Jahren ungeachtet internationaler Kritik um. Die EU-Kommission klagte mehrfach gegen die Reformen.

    Demo-Organisatoren: "Größte Protestaktion in Polen seit dem Ende des Kommunismus"

    Eine halbe Million Menschen waren gestern in der polnischen Hauptstadt Warschau auf die Straße gegangen. Diese Zahl nannten die Organisatoren unter Berufung auf die Stadtverwaltung. Ein Sprecher sagte, es handele sich um die größte Protestaktion in Polen seit dem Ende des Kommunismus 1989. Der erste demokratisch gewählte Präsident und Friedensnobelpreisträger Walesa lief an der Spitze des Demonstrationszuges. Auch in anderen polnischen Städten gab es Kundgebungen.
    Zu der Demonstration hatte zunächst der polnische Oppositionsführer und frühere EU-Ratspräsident Tusk aufgerufen. Viele andere Parteien und Organisationen hatten sich dem Aufruf angeschlossen. Tusk sagte, die Angriffe der Regierungspartei PiS auf die Pfeiler der Demokratie würden nicht stillschweigend hingenommen. Die Demokratie in Polen liege im Sterben. Der Protestmarsch stand unter dem Motto: "Gegen Teuerung, Diebstahl und Lügen, für freie Wahlen und ein demokratisches, europäisches Polen".

    Gesetz zur russischen Einflussnahme

    Auslöser der Proteste war unter anderem ein neues Gesetz, das die Einsetzung einer Untersuchungskommission zur russischen Einflussnahme vorsieht. Das Gremium soll darüber urteilen, ob Menschen zwischen 2007 und 2022 russischer Einflussnahme erlegen sind - ohne dass die Justiz an solchen Untersuchungen beteiligt wird. Im Falle einer Verurteilung durch die Kommission droht den Betroffenen eine zehnjährige Sperre bei der Besetzung von öffentlichen Ämtern und vom Zugang zu staatlichen Mitteln. Die Opposition sieht in dem Gesetz ein Mittel, um Kandidaten von der Parlamentswahl im Herbst an den Pranger zu stellen und gegebenenfalls auszuschließen.