Mitte der 80er-Jahre startet der britische Künstler John Coplans ein radikales Projekt. Inspiriert von den knackigen Posterboy-Inszenierungen des schwulen Schock-Fotografen Robert Mapplethorpe beginnt der 1920 geborene Coplans, seinen eigenen, alles andere als knackigen Körper fotografisch zu dokumentieren.
"Wir stehen hier vor einem Selbstporträt des britischen Fotografen John Coplans. Coplans begann im Alter von 64 Jahren seinen eigenen Körper aufzunehmen. Die radikale Neuerung dabei war, dass er seinen alten und vergänglichen Körper zeigt. Der Körper wird unidealisiert vorgeführt, er wird haarig, faltig und jenseits aller Ideale vorgeführt."
Die Arbeiten John Coplans bilden das Kernstück der Schau in der Albertina. Es sind kompromisslose, verstörende Ansichten eines welkenden Männerkörpers, mit Schwabbelbauch und Schrumpelzumpf und allem, was so dazugehört. Klaus Albrecht Schröder, Direktor der Albertina, ist bekennender Coplans-Fan:
"Er zeigt bewusst nicht mehr den athletischen, idealen, wunderschönen Körper, sondern den Körper eines durchschnittlichen Mannes, dem die Haare sprießen, wo sie sprießen, dem die Finger- und Zehennägel einwachsen, eines Mannes, der alle Verfallszeichen des alternden Menschen aufweist."
"Körper als Protest": Im Brennpunkt der Wiener Ausstellung stehen Fotografinnen und Fotografen, die gegen normierte Schönheitsbilder und künstlerische Konventionen aufbegehren, wie der Kurator der Schau, Walter Moser, erläutert.
"Protest äußert sich in dieser Ausstellung in vielerlei Hinsicht: einerseits gegen gesellschaftliche Normen wie zum Beispiel Makellosigkeit und Jugendkult, andererseits zum Beispiel im Feminismus gegen die Darstellung weiblicher Akte oder auch gegen klassische Rollenbilder. Der mir wesentlichste Protest ist aber der Protest gegen den eigenen Körper."
Die italienische Body-Art-Künstlerin Ketty La Rocca zum Beispiel: Sie erkrankte Mitte der 70er-Jahre an einem tödlichen Gehirntumor, im Alter von nur 38 Jahren. Eines der beunruhigendsten Exponate der Albertina-Ausstellung zeigt eine Röntgenaufnahme von La Roccas Schädel: An die Stelle des Tumors hatte die Künstlerin eine geballte Faust montiert.
Robert Mapplethorpes Arbeiten sind auf andere Weise verstörend. Der 1989 an Aids verstorbene Künstler hat es längst zu Kalender-Ehren gebracht, seine Männerphantasien in gelacktem Schwarz-Weiß zieren Zahnarztpraxen und WG-Toiletten. Beim Studium diverser Mapplethorpe-Akte in der Albertina drängt sich die Frage auf: Haben diese fotografischen Vermessungen des männlichen Körpers nicht etwas Riefenstahleskes? Sind Mapplethorpes Arbeiten letztlich doch "schwuler Faschismus"?
"Sind sie nicht. Denn die Schönheit, die er entdeckt, ist die Schönheit des Schwulen. Und das Schwule gilt, als Mapplethorpe sich der "Gay Culture" zuwendet, als dreckig, als letztklassig, als das Verbotene und Tabuisierte schlechthin. Dagegen wendet sich Mapplethorpe. Seine Fotos sind ein Protest. Sie sagen: Entdeckt nicht nur die Schönheit des Heterosexuellen, die ihr in der Werbung verwenden könnt, auch der homosexuelle Mann, die lesbische Frau, haben eine Schönheit, die nicht nur eine innere, sondern auch eine dezidiert äußere Schönheit werden kann."
Der weibliche Blick kommt in der Albertina-Schau ebenfalls zu seinem Recht, wie Kurator Walter Moser hervorhebt.
"Frauen beginnen sich Mitte der 50er-Jahre mit der Darstellung von Frauen und von Akten auseinanderzusetzen. Während der Feminismus in den Fünfzigern noch relativ unbedarft war, wird er in den Sechzigern und Siebzigern immer komplexer und theoretisch fundierter und zu einem wichtigen Themenkomplex in der bildenden Kunst."
Da sind zum Beispiel die Fotoarbeiten von Hannah Villiger. Die Schweizer Künstlerin, 1997 verstorben, fügte Arme und Füße, Beine, Bäuche und Brüste zu neuen Körperidentitäten zusammen, seltsam verdrehte Fotocollagen enstehen.
"Man zerstört nicht nur den weiblichen Körper, man zerstört sogar das Bild. Man zerlegt den Bildkörper in seine Einzelteile."
"All diese Aufstände gegen die konventionelle Schönheit sind zugleich Entdeckungen, dass das Abseitige ebenso viel Schönheit beinhaltet wie die perfekte Werbung. Nur ist sie ehrlicher."
"Körper als Protest" – es ist eine kleine und kompakte, eine unerhört dichte Schau, die man da in der Albertina bestaunen kann, eine Schau, die aufs Anregendste irritiert.
"Wir stehen hier vor einem Selbstporträt des britischen Fotografen John Coplans. Coplans begann im Alter von 64 Jahren seinen eigenen Körper aufzunehmen. Die radikale Neuerung dabei war, dass er seinen alten und vergänglichen Körper zeigt. Der Körper wird unidealisiert vorgeführt, er wird haarig, faltig und jenseits aller Ideale vorgeführt."
Die Arbeiten John Coplans bilden das Kernstück der Schau in der Albertina. Es sind kompromisslose, verstörende Ansichten eines welkenden Männerkörpers, mit Schwabbelbauch und Schrumpelzumpf und allem, was so dazugehört. Klaus Albrecht Schröder, Direktor der Albertina, ist bekennender Coplans-Fan:
"Er zeigt bewusst nicht mehr den athletischen, idealen, wunderschönen Körper, sondern den Körper eines durchschnittlichen Mannes, dem die Haare sprießen, wo sie sprießen, dem die Finger- und Zehennägel einwachsen, eines Mannes, der alle Verfallszeichen des alternden Menschen aufweist."
"Körper als Protest": Im Brennpunkt der Wiener Ausstellung stehen Fotografinnen und Fotografen, die gegen normierte Schönheitsbilder und künstlerische Konventionen aufbegehren, wie der Kurator der Schau, Walter Moser, erläutert.
"Protest äußert sich in dieser Ausstellung in vielerlei Hinsicht: einerseits gegen gesellschaftliche Normen wie zum Beispiel Makellosigkeit und Jugendkult, andererseits zum Beispiel im Feminismus gegen die Darstellung weiblicher Akte oder auch gegen klassische Rollenbilder. Der mir wesentlichste Protest ist aber der Protest gegen den eigenen Körper."
Die italienische Body-Art-Künstlerin Ketty La Rocca zum Beispiel: Sie erkrankte Mitte der 70er-Jahre an einem tödlichen Gehirntumor, im Alter von nur 38 Jahren. Eines der beunruhigendsten Exponate der Albertina-Ausstellung zeigt eine Röntgenaufnahme von La Roccas Schädel: An die Stelle des Tumors hatte die Künstlerin eine geballte Faust montiert.
Robert Mapplethorpes Arbeiten sind auf andere Weise verstörend. Der 1989 an Aids verstorbene Künstler hat es längst zu Kalender-Ehren gebracht, seine Männerphantasien in gelacktem Schwarz-Weiß zieren Zahnarztpraxen und WG-Toiletten. Beim Studium diverser Mapplethorpe-Akte in der Albertina drängt sich die Frage auf: Haben diese fotografischen Vermessungen des männlichen Körpers nicht etwas Riefenstahleskes? Sind Mapplethorpes Arbeiten letztlich doch "schwuler Faschismus"?
"Sind sie nicht. Denn die Schönheit, die er entdeckt, ist die Schönheit des Schwulen. Und das Schwule gilt, als Mapplethorpe sich der "Gay Culture" zuwendet, als dreckig, als letztklassig, als das Verbotene und Tabuisierte schlechthin. Dagegen wendet sich Mapplethorpe. Seine Fotos sind ein Protest. Sie sagen: Entdeckt nicht nur die Schönheit des Heterosexuellen, die ihr in der Werbung verwenden könnt, auch der homosexuelle Mann, die lesbische Frau, haben eine Schönheit, die nicht nur eine innere, sondern auch eine dezidiert äußere Schönheit werden kann."
Der weibliche Blick kommt in der Albertina-Schau ebenfalls zu seinem Recht, wie Kurator Walter Moser hervorhebt.
"Frauen beginnen sich Mitte der 50er-Jahre mit der Darstellung von Frauen und von Akten auseinanderzusetzen. Während der Feminismus in den Fünfzigern noch relativ unbedarft war, wird er in den Sechzigern und Siebzigern immer komplexer und theoretisch fundierter und zu einem wichtigen Themenkomplex in der bildenden Kunst."
Da sind zum Beispiel die Fotoarbeiten von Hannah Villiger. Die Schweizer Künstlerin, 1997 verstorben, fügte Arme und Füße, Beine, Bäuche und Brüste zu neuen Körperidentitäten zusammen, seltsam verdrehte Fotocollagen enstehen.
"Man zerstört nicht nur den weiblichen Körper, man zerstört sogar das Bild. Man zerlegt den Bildkörper in seine Einzelteile."
"All diese Aufstände gegen die konventionelle Schönheit sind zugleich Entdeckungen, dass das Abseitige ebenso viel Schönheit beinhaltet wie die perfekte Werbung. Nur ist sie ehrlicher."
"Körper als Protest" – es ist eine kleine und kompakte, eine unerhört dichte Schau, die man da in der Albertina bestaunen kann, eine Schau, die aufs Anregendste irritiert.