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Körperwahrnehmung
Wie Sinnestäuschungen unser Selbstbild beeinflussen

Das Gehirn eines Menschen verlässt sich in der Regel auf das, was die Sinne ihm mitteilen. Virtual-Reality-Brillen können das ändern. Mit raffinierten Sinnestäuschungen geben sie Menschen das Gefühl, im Körper eines anderen zu stecken.

Von Anneke Meyer |
    Besucher der Gamescom 2016 in Köln tragen VR-Brillen. 17.8.2016
    Die eigene Körperwahrnehmung wird in Experimenten mit Virtual Reality Brillen beeinflusst. (picture alliance/dpa/Oliver Berg)
    Kleider machen Leute. Unter bestimmten Umständen reicht aber auch schon ein Paar Schuhe. So wie die Sandalen von Ana Tajadura Jimenez. Die Wissenschaftlerin hat am University College London einen Lauschangriff auf Füße gestartet, um heraus zu finden, wie der Klang unserer Schritte unser Selbstbild beeinflusst.
    "Wir haben Mikrofone an den Sohlen der Schuhe befestigt. Sie nehmen das Geräusch der Schritte auf und wir spielen es den Leuten über Kopfhörer vor. Dabei haben wir die Möglichkeit, zeitgleich die Ton-Frequenz der Schritte zu verändern. Wenn man zum Beispiel die Frequenz absenkt, klingen die Schritte schwerer, mehr boom, boom, boom."
    Manipulierte Tonfrequenz von Schritten
    Im Alltag beachten wir selten, wie jemand geht, unterbewusst verraten uns Schritte aber einiges. Ein hüpfender Klang spricht für gute Laune, ein schlurfender Gang für Müdigkeit. Schwere Menschen gehen mit schweren Schritten. Ein Fliegengewicht tritt dagegen hell und leicht auf. Was wir hören, gibt uns eine Vorstellung davon, wie der Mensch ist, der da geht.
    Das gilt auch dann, wenn wir den Menschen laufen hören, über den wir alles zu wissen glauben – uns selbst. Soviel zeigt das Experiment von Ana Tajadura Jimenez und ihren Kollegen. Durch die Manipulation der Ton-Frequenz der Schritte kann in ihren Sandalen jeder eine gute Figur machen.
    "Wir haben die Leute gefragt, 'Wie fühlst du dich?'. Wenn wir die Schritte so manipuliert hatten, dass ihr Klang höher, also leichter war, gaben die Leute auch an, sich fröhlicher und leicht zu fühlen. Danach haben wir sie gebeten, einen virtuellen Körper so zu verändern, dass er ihrem eigenen Gewicht entsprach. Diejenigen, deren Schritte direkt davor leicht geklungen hatten, gaben dem Avatar einen schlankeren Körper."
    Dass diese Blitz-Diät funktioniert, liegt daran, dass unser Gehirn nicht prinzipiell misstrauisch ist sondern sich auf das verlässt, was die Sinne ihm mitteilen, erklärt Mel Slater, Professor an der Universität Barcelona:
    "Das Gehirn mag keine Unsicherheit. Im Zweifel wählt es die einfachste Erklärung: Die Sinne haben Recht. Das passt am besten zur tagtäglichen Erfahrung des Gehirns."
    Wahrnehmung wird an die vermeintlich objektiven Informationen der Sinne angepasst
    Ist ein Mensch 1,68 Meter groß und wiegt 58 Kilo, erwartet das Gehirn entsprechende Schritte. Melden die Sinne etwas Anderes, klingen die Fußtritte etwa weniger schwer, korrigiert das Gehirn seine anscheinend "falsche Annahme" und führt ein Update seiner Erwartung durch. Die Wahrnehmung des eigenen Körpers wird an die vermeintlich objektiven Informationen der Sinne angepasst. Das verändert nicht nur, wie wir uns fühlen, es kann auch handfeste physiologische Folgen haben. Etwa wenn man glaubt zu laufen, obwohl man sitzt:
    "Das funktioniert so: Man sitzt in einem Stuhl und trägt eine Virtual-Reality-Brille. Wenn man den Kopf bewegt, sieht man durch die Augen eines virtuellen Körpers, eines Avatars. Sieht man sich um, sieht man ein Feld, in dem man sich bewegt. Guckt man an sich herab, sieht man, wie die Beine des Avatars laufen. Für unsere Versuchspersonen fühlte sich das an, als liefen sie selbst. Gingen sie im Körper des Avatars einen Berg hoch, stieg ihre Herzrate und die Hautleitfähigkeit an."
    Die Probanden begannen quasi zu schwitzen. Und das, obwohl ihnen klar war, dass ihr wirklicher Körper bequem saß und nichts tat. Die Vorstellung davon, wie einfach es scheint, das Selbst an der Nase herumzuführen und ihm einen anderen Körper zu verleihen, hat etwas Erschreckendes. Als kleiner Trost bleibt: die verschobene Selbstwahrnehmung endet, sobald der trügerische Sinneseindruck verschwindet. Kleider machen zwar Leute, aber nackt ist jeder er selbst.