Nikolaj Busmakow hat eine gute Aussicht gewählt: Hoch oben von einem Hügel aus, der aus Abraum eines anderen Tagebaus besteht, schaut er in die Tiefe, in einen von neun Steinkohle-Tagebauen der Stadt Kisseljowsk.
"Dieser Tagebau heißt `Koksgrube´. Dahinter liegt schon das Abbaufeld Schacht Nummer 12. Sehen Sie das Weiße da drüben? Dort brennt Kohle. Im Winter ist das gut zu sehen. Der Tagebau ist hier 200 Meter tief."
Busmakow war früher selbst Bergmann. Die Stadt Kisseljowsk mit ihren rund 90.000 Bewohnern ist vor Jahrzehnten wegen der Kohle entstanden. Lange gab es nur Bergwerke. Seit dem Ende der Sowjetunion sind Tagebaue hinzugekommen. In der gesamten Region sind es mehr als 50. Die Landschaft des Kusnezker Beckens ist eine Abfolge von Tagebaulöchern und Abraumhalden.
Schwarzer Staub und giftige Gase
Dabei entstehen gewaltige ökologische Lasten. Die schwelenden Kohlebrände in Abraumhalden produzieren giftige Gase, fast immer weht Kohlestaub durch die Luft, im Winter wird der Schnee vielerorts rasch schwarz.
Gesetzliche Bestimmungen werden permanent unterlaufen, sagt Anton Lementujew von der NGO Ecodefense:
"Der Abstand eines Tagebaus zu Wohnhäusern muss mindestens 1.000 Meter betragen. Und zu Abraumhalden mindestens 500 Meter. Tatsächlich beobachten wir überall im Kusnezker Becken, dass Häuser sogar nur 100 Meter Abstand haben. In Kisseljowsk 100 bis 200 Meter."
Krebserkrankungen häufen sich
Statistiken über Krebserkrankungen gibt es zwar nicht, aber viele Hinweise darauf, dass die sehr weit über dem Durchschnitt liegen, sagt Natalja Subkowa. Sie ist unabhängige Journalistin, eine von wenigen in Kisseljowsk.
"Vor allem treten Haut- und Lungenkrebs auf, wegen der giftigen Phenoldämpfe. Am Beispiel meiner Bekannten kann ich sagen, dass in jeder Familie Krebs vorkommt. Bei uns war es der Großvater, der schon tot ist. Befallen waren Nieren, Magen und die Schilddrüse. Es gibt Fälle, in denen Babys im Alter von weniger als einem Jahr schon Leberkrebs haben. Ihre Mütter spenden ihnen dann einen Teil ihrer eigenen Leber."
Eines der Bergbauunternehmen, Strojservis, das den Tagebau Nummer 12 betreibt, weist in einem Schreiben an den Deutschlandfunk auf unentgeltliche Sozialleistungen für seine Beschäftigten hin. Dazu gehörten Sonderzahlungen, auch für Mütter, oder Urlaub am Meer, außerdem das Anpflanzen von Bäumen.
Fragt man Betroffene, die wenige hundert Meter von einem Tagebau entfernt leben, widersprechen die: Die Sozialleistungen bekämen nur wenige. Und ein paar tausend Bäume glichen den Raubbau an der Natur keinesfalls aus. Aber die meisten Menschen haben keine andere Wahl als zu bleiben, weil sie keine andere Arbeit finden.
Ein Dorf wiedersetzt sich
Das Dorf Apanass will den Staub nicht und keine Lastwagen, die Tag und Nacht die Kohle wegfahren. Es stellt sich den Unternehmen bislang entgegen. Auch hier liegt leicht abzubauende Steinkohle im Erdboden. Wladimir Gorenkows Haus grenzt an den Wald, sibirischer Taiga-Wald, der sich von hier an viele, viele Kilometer weit erstreckt.
"Unsere Mentalität ist: Wir leben von der Taiga, von der Natur. Wir brauchen keine Straßen, keine Straßenbeleuchtung. Damit kann man uns nicht kaufen."
Im Ort hängen Plakate, auf denen auf Russisch steht: "Hände weg von Apanass" oder "Wir wollen nicht in einer Mondlandschaft leben". Die Bewohner haben sich organisiert, sich auch schon anrückenden Baufahrzeugen entgegen gestellt.
Auf solchen Protest stoßen die Unternehmen in dem Industriegebiet, wo seit Jahrzehnten abgebaut wird, nicht. Warum das im Dorf anders ist, erklärt Anton Lementujew von Ecodefense:
"Die Leute sind hierher gezogen mit dem Ziel, mit der Natur zu leben. Daher der Protest, weil die Leute ihre wunderbar saubere Umgebung nicht gegen Abraumhalden tauschen wollen."
Aber auch im Dorf wächst der Druck von Unternehmen und Staat auf die Bürger: Gegen Gorenkow wird nun wegen Extremismus ermittelt. Vor kurzem nahm die Polizei seine Computer mit. Wenn sie mich festnehmen, sollen sie es eben tun, meint er. Aufgeben kommt für ihn nicht in Frage.