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Kohleabgabe
"Nationale Klimaschutzziele aufgeben"

Den ausgehandelten Kompromiss zur Kohleabgabe halte er für einen Sieg der Rationalität, sagte Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) im DLF. Deutschland sei mit dem Ziel, die CO2-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren, zu weit vorgeprescht. Den Preis müssten nun die Verbraucher bezahlen.

Manuel Frondel im Gespräch mit Eva Bahner | 02.07.2015
    Professor Manuel Frondel, Leiter des Bereichs Umwelt und Ressourcen am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI)
    "Wenn man dauerhaft feststellt, es gibt keine Nachreiter, dann muss man auch diese Vorreiterrolle überdenken." (dpa / picture-alliance / RWI / Julica Bracht)
    Eva Bahner: Statt einer zu zahlenden Kohleabgabe bekommt die Energiebranche noch eine Art Abwrackprämie für ihre alten Meiler. Bei den Energieversorgern war die Erleichterung heute erwartungsgemäß groß, aber auch bei den Gewerkschaften, bei den Kohlekumpel, die sich gegen Gabriels Abgabe verbündet hatten.
    Vor der Sendung habe ich Professor Manuel Frondel gefragt, der beim Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung den Bereich Umwelt und Ressourcen leitet, ob der nun erzielte Kompromiss als Sieg für die Kohlelobby verbucht werden kann.
    Manuel Frondel: Nein, ich sehe es als Sieg der Rationalität an, denn mit dem Wegfall des Klimaschutz-Beitrages für alte Kohlekraftwerke wird der Gedanke gestärkt, dass europäisch Klimaschutz betrieben wird, nämlich mithilfe des sogenannten Emissionshandels-Systems, mit dem europaweit Klimaschutz betrieben wird und die CO2-Emissionen europaweit gesenkt werden.
    "Der Emissionshandel funktioniert hervorragend"
    Bahner: Nun wissen wir aber auch, dass das Emissionshandels-System, wie es mal ursprünglich geplant war, so nicht funktioniert in der Realität. Wie kann denn das Klimaziel nun erreicht werden? Ist das Klimaziel überhaupt zu erreichen über dieses Alternativmodell?
    Frondel: Zunächst mal ist es so, dass der Emissionshandel hervorragend funktioniert. Seit Existieren des Emissionshandels-Systems im Jahr 2005 konnten wir in Europa die Emissionen senken, wo hingegen weltweit die Emissionen um 30 Prozent gestiegen sind in der Zwischenzeit. Insofern ist klar, dass der Emissionshandel ein sehr effektives Instrument ist, um CO2-Emissionen zu senken. Da besteht überhaupt keine Frage.
    Die Frage, die sich stellt, ist: Ist überhaupt ein nationales Ziel notwendig? Und die weitere Frage ist: War das 40-Prozent-Ziel, das sich Deutschland gesetzt hat, nämlich die CO2-Emissionen 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken, war das nicht zu ambitioniert?
    Bahner: Nun macht es aber auch Sinn, dass einige Industriestaaten die Vorreiterrolle übernehmen, und Deutschland fühlt sich ja in dieser Rolle, gerade auch, wenn man jetzt in Richtung Paris guckt, wo am Ende des Jahres ja der Klimagipfel stattfindet.
    Frondel: Ja. Eine Vorreiterrolle macht bis zu einem gewissen Grad Sinn. Wenn man allerdings dauerhaft feststellt, es gibt keine Nachreiter, dann muss man auch diese Vorreiterrolle überdenken.
    Bahner: Und die Klimaziele komplett aufgeben?
    Frondel: Nationale Klimaschutzziele sollte man generell aufgeben.
    Bahner: Wenn wir jetzt noch mal einen Moment bei der Kohleabgabe bleiben, die jetzt vom Tisch ist. Nun sieht es so aus, dass die Energiekonzerne sogar eine Art Abwrackprämie für ihre alten Kohlekraftwerke bekommen.
    Vorher sah es lange Zeit so aus, als müssten sie dafür bezahlen. Für die Energiewirtschaft ist das jetzt ja nun gut gelaufen. Was bedeutet das denn jetzt für die Stromkunden?
    Frondel: Die Stromkunden haben so oder so einen hohen politischen Preis zu bezahlen. Es rächt sich eben, wenn man sich zu sehr aus dem Fenster lehnt und ein zu ambitioniertes Ziel im Vergleich zu allen anderen europäischen Staaten und auch anderen Industrienationen weltweit setzt. Mit 40 Prozent ist man einfach sehr weit nach vorne geprescht und das rächt sich jetzt. Diesen Preis hat der Verbraucher zu bezahlen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.