Es gebe eine große Unsicherheit bei den Beschäftigten in der Region und in der Branche, da die Menschen aktuell noch sichere Jobs hätten, sagte Michael Kretschmer, der Minsterpräsident von Sachsen im Dlf. Durch den Kohleausstieg sei nun aber vieles im Umbruch.
Mit Milliardenhilfen in Höhe von 40 Milliarden Euro soll der Strukturwandel in den Braunkohleländern gelingen. Auf diese Zahl hat die Kohlekommission die Milliardenhilfen beziffert.
Nun müsste ein verlässlicher Zeitplan und Eckpunkte für konkrete Maßnahmen erstellt werden, sagte Kretschmer. Der CDU-Politiker äußerte zugleich Bedenken, dass das erarbeitete Ausstiegs-Szenario von Umweltverbänden infrage gestellt werden könnte. Auf der anderen Seite plädierte er aber auch dafür, auf steigende Strompreise oder fragwürdige Versorgungssicherheit mit längeren Fristen zu reagieren.
Das Gespräch in voller Länge:
Dirk-Oliver Heckmann: Bis 2038 soll Schluss sein mit dem Abbau und der Verstromung von Braunkohle. Das jedenfalls ist die Empfehlung der sogenannten Kohlekommission, die am Samstag frühmorgens nach einer Marathonsitzung ihre Ergebnisse präsentiert haben. Energiekonzerne sollen entschädigt und der Strompreis mit staatlichen Mitteln gestützt werden. Vor allem aber, und das ist den Ministerpräsidenten der Kohleländer besonders wichtig, sollen Milliarden in die Regionen fließen, damit Menschen und Regionen dort nicht abgehängt werden.
Es geht um 40 Milliarden Euro, jedenfalls, wenn es nach der Kommission geht. Heute kommen dazu in Berlin Bundeskanzlerin Merkel, Finanzminister Scholz und die Ministerpräsidenten von Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen zusammen. Bastian Brandau.
Informationen waren das von Bastian Brandau. Und ich konnte über das Thema vor einer guten halben Stunde sprechen mit Michael Kretschmer von der CDU, dem Ministerpräsident von Sachsen. Und meine erste Frage an ihn lautete: Wie sicher sind Sie denn, dass die besagten 40 Milliarden überhaupt fließen werden?
Michael Kretschmer: Auf die Bundesregierung ist in solchen Fragen immer Verlass gewesen. Wir machen uns eher Sorgen, dass es auf der Umweltseite - Greenpeace, BUND, aber auch von einigen Grünen-Politikern jetzt wieder ein Infragestellen gibt. Und das macht den Leuten Sorgen. Es macht sie auch zum Teil wütend, weil man schon auch in den Revieren sieht, dass man sehr viel jetzt gibt und auch in Unsicherheit hineingeht.
Und die muss auf der anderen Seite auch mal ein Stück weit berücksichtigt werden, auch wertgeschätzt werden. Die Leute haben jetzt sichere Arbeit, gut bezahlte Arbeit. Und das, was wir jetzt vorhaben, das sehe ich und darauf freue ich mich auch, aber für viele Beschäftigte ist das eben mit Unsicherheit verbunden.
"Es ist ganz wichtig, dass die Menschen mitentscheiden können"
Heckmann: Man muss dazusagen, dass der Kompromiss auch in Frage gestellt wird vom Wirtschaftsflügel der Union. Dazu gab es dezidierte Stellungnahmen in den letzten Tagen. Gilt das auch für die?
Kretschmer: Beim Wirtschaftsflügel ist es anders. Das ist die Frage der – die Sorgen teile ich zum Teil auch – ökonomisch, funktioniert das, was macht es mit den Strompreisen, mit der Versorgungssicherheit. Da gibt es allerdings auch wirklich Referenzpunkte, 23, 26 und auch 29, an denen man das sehen wird. Und da muss sich die Bundesregierung dann auch flexibel halten, dass man im Zweifel die Sache moderat verlängert.
Heckmann: Das heißt, Sie würden das Paket auch noch mal aufmachen, werfen aber den Grünen und Linken beispielsweise vor und Greenpeace, das Paket wieder aufmachen zu wollen?
Kretschmer: Nein. Ich will es nicht aufmachen. Ich glaube, es ist wichtig, dass sich jetzt alle daran halten. Das hat alles nur einen Wert, wenn man es zusammenhält. Dazu gehört eben, Ende 38 Ausstieg aus der Kohle, nicht 35, nicht 32. Man kann sich vorstellen, 20 Jahre sind ein Korridor, in dem viel leistbar ist, in dem viel neu gestaltbar ist. Und dabei muss es jetzt auch bleiben, und das ist eben genau das, was wir jetzt auch von der grünen Seite erwarten müssen.
Und auch eine weitere Sache: Es ist vollkommen klar, wir werden Infrastruktur, neue ICE-Verbindungen, Straßen, Eisenbahn nur wirklich schnell bauen können, wenn wir ein Planungsbeschleunigungsrecht haben. Das steht in dem Kommissionsbericht auch, und das müssen wir jetzt auch von den grünen Länderministern auch erwarten, dass das den Regionen gegeben wird.
Heckmann: Und das steht ja auch im Zentrum der Gespräche heute in Berlin. Was genau erwarten Sie sich davon?
Kretschmer: Einen Zeitplan. Wir haben ja Ende April vorgeschlagen, dass die Eckpunkte für das Maßnahmengesetz fertig sind. Das sind dann die zentralen Infrastrukturmaßnahmen, auf die sich Bund und Länder verständigen. Wir hier in Sachsen natürlich gemeinsam mit den Regionen.
Es ist auch ganz wichtig, dass die Menschen da mitentscheiden können, die Eckpunkte für das Planungsbeschleunigungsrecht. Das sind die wesentlichen Dinge. Dann gibt es sicherlich noch Detailfragen. Wie kommen wir in Europa weiter? Aber jetzt, das sind die zwei zentralen Punkte.
"Die Regionen leiden darunter, dass sie infrastrukturell schlecht erschlossen sind"
Heckmann: Haben Sie denn in Sachsen da überhaupt genug Projekte, die sinnvoll finanziert werden könnten? Das IFO-Institut hat da ja offenbar Zweifel.
Kretschmer: Es ist für viele immer schwierig, sich neue Dinge vorzustellen. Das Bewährte kennen wir, und neue Dinge sind schwer zu fassen. Die Regionen leiden ja darunter, dass sie infrastrukturell schlecht erschlossen sind, weil die Bevölkerungsdichte sehr niedrig ist. Das ist übrigens auch der Grund, warum man dieses Maßnahmengesetz und ein Planungsbeschleunigungsrecht braucht.
Wir müssen aus den Kriterien heraus, nach denen in Deutschland derzeit Infrastruktur gebaut wird. Wir brauchen eine Angebotsplanung, also auf Vorrat. Da geht es um Bundesstraßen, wie gesagt, die ICE-Verbindung von Berlin über Cottbus-Weißwasser nach Görlitz und dann weiter nach Polen. Es gibt genügend Projekte. Wir wollen dann einen großen Schwerpunkt auf Innovation legen, Forschung und Entwicklung. Das muss die Zukunft dieser Region sein.
Heckmann: Sachsen steht beim Ausbau der Erneuerbaren allerdings auf der Bremse. Im Jahr 2017 wurden gerade mal 16 Windkraftanlagen gebaut. Das ist unter einem Prozent aller Anlagen in Deutschland, weniger als allein in Hamburg. Das hat unser Landeskorrespondent gestern berichtet. Das Programm zum Ausbau der Erneuerbaren in Sachsen ist aus dem Jahr 2012. Und die Koalition, Ihre Koalition aus CDU und SPD, konnte sich nicht auf eine Änderung, Aktualisierung der Strategie einigen. Ihr Wirtschaftsminister von der SPD, Herr Dulig, sagt, die CDU blockiert an der Stelle.
Kretschmer: Es vergeht keine Veranstaltung, in der nicht genau dieses Thema von den Bürgern aufgerufen wird, aber eben genau andersherum. Die Akzeptanz für Windanlagen schwindet massiv, und wir haben eben auch keine Grundlastfähigkeit dieser Anlagen, die Energie ist noch nicht speicherbar. Und ich würde eben auch Deutschland insgesamt dazu raten, etwas technologieoffen, etwas auch insgesamt offener zu sein, was Innovationen angeht. Wir müssen das Problem der Speicherung klären, und das ist das, was jetzt massiv vorangetrieben werden muss. Da muss die Bundesregierung auch noch mehr leisten.
Der einfache wilde Zubau an beispielsweise Windanlagen nutzt ja überhaupt nichts, wenn sie nicht grundlastfähig werden. Da liegt die eigentliche Herausforderung. Ich denke, dann wird auch die Akzeptanz in der Bevölkerung wieder steigen, wenn diese Frage gelöst ist.
"Es wird eine große Bewegung gegen Windanlage geben"
Heckmann: Aber von Wildbau, kann man da wirklich von sprechen bei 16 Windkraftanlagen, die gebaut worden sind?
Kretschmer: Ich nehme Sie gern mit zu Veranstaltungen mit den Bürgern, die unmittelbar davon betroffen sind. Es mag sein, dass es in einigen der Regionen anders ist. Sachsen ist im Zweifel da nun doch ein sehr dicht besiedeltes Land, und wir haben viele Windanlagen, die hier jetzt auch gepowert werden. Die Stimmung ist da nicht gut. Und die eigentliche Frage, auch volkswirtschaftlich, ist ja, was machen wir mit diesem vielen Windstrom, der zwar an gewissen Tagen im Jahr zu gewissen Stunden dafür sorgt, dass wir die Energieversorgung sichern können, aber dann eben wieder für einen großen Zeitraum nicht?
Und dann gibt es eine parallele Struktur an Kohle- und Atomenergie, in Zukunft wahrscheinlich an Gaskraftwerken. Das ist noch nicht geklärt, das ist die eigentliche Herausforderung, und das merken die Leute im Land auch. Es ist eben so schwer, Akzeptanz für diese Anlagen zu bekommen.
Heckmann: Herr Kretschmer, im Herbst stehen ja Landtagswahlen an. Vor einigen Jahren hatte die FDP massiv gegen den Ausbau der Windenergie mobilisiert. Haben Sie jetzt Angst, dass die AfD das Gleiche tut, und stehen deshalb auf der Bremse ein bisschen?
Kretschmer: Ich bin nicht grundsätzlich gegen den Ausbau erneuerbarer Energien und auch nicht von den Windanlagen. Aber es muss gemeinsam mit der Bevölkerung geschehen. Der Vorschlag ist da ja auch mehrfach gemacht worden. Es ist ja jetzt noch keine Mehrheit in der Bundespolitik gefunden, aber ich denke, das wird am Ende auch genauso kommen.
Man muss die Menschen, die vor Ort davon betroffen sind. Die müssen darüber entscheiden, auch über den Abstand der Windanlage zur Wohnbebauung. Dann entsteht auch wieder neue Akzeptanz. Aber so, wie das jetzt läuft, werden wir damit nicht erfolgreich sein. Es wird eine große Bewegung geben, die immer stärker wird, vor allen Dingen, weil die Speicherung eben nicht geklärt ist.
Heckmann: Der Ministerpräsident des Freistaats Sachsen, Michael Kretschmer, war das, von der CDU. Herr Kretschmer, ich danke Ihnen für dieses Interview.
Kretschmer: Bitte schön!
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