Wer auf den Turm des Leipziger Rathauses steigt, sieht es im Süden dampfen und rauchen. Rund 15 Kilometer vom Zentrum der Stadt entfernt produziert das Kraftwerk Lippendorf aus Braunkohle Strom. Die dabei entstehende Wärme wird als Fernwärme zum Heizen genutzt. Aber nicht mehr lang, denn die Stadt wird in Zukunft auf die Braunkohle-Abwärme verzichten, erklärt Oberbürgermeister Burkhard Jung, SPD.
"Der Stadtrat hatte uns den Auftrag gegeben, den schrittweisen Ausstieg vorzubereiten, Szenarien vorzulegen. Entweder 2023 oder 30, so war der Stadtratsbeschluss und wir kommen nach Prüfung zu dem Ergebnis, es ist jetzt möglich. Jetzt ist ein ideales historisches Zeitfenster. Die Möglichkeiten der Unterstützung durch die Bundesgesetze sind gegeben und deswegen jetzt."
Gas statt Kohle
Bis 2023 soll der Leipziger Kohle-Ausstieg stattfinden, die Verträge sehen dann eine Ausstiegsmöglichkeit vor. Die Stadt Leipzig wird ein Gaskraftwerk bauen, dort Strom produzieren und die Abwärme ins Fernwärmenetz einspeisen. Die Energie- und Wärmegewinnung mit Gas produziert deutlich weniger CO2-Emissionen, aber beim praktischen Einkauf ist es unter derzeitigen Rahmenbedingungen teurer als Braunkohle. Möglich wird der Neubau, weil die Bundesregierung den Bau von Gas-Kraft-Wärme-Kopplungskraftwerken subventioniert.
"Gas ist ohne Zweifel eine Übergangsressource, die wir noch nutzen und brauchen werden. Aber eines ist klar, um es nochmal deutlich zu sagen. Der Ausstieg aus der Braunkohle ist unabwendbar. Die Frage ist wann. Da wird noch diskutiert. Und Sie wissen, die Braunkohlekommission ist noch nicht zu einem Ergebnis gekommen. Ob das jetzt 2030 oder 2040 ist, ist unerheblich. Ich glaube, wichtig ist, dass wir uns nicht gestalten lassen, sondern dass wir selbst versuchen, eine energiesichere Lösung für die Stadt Leipzig zu finden und deswegen jetzt."
Aus der Region kommt Kritik
Kritikwürdig, findet man in der Region um das Kraftwerk selbst. Der Landrat des Landkreises Leipzig von der CDU, Bürgermeister und Betriebsräte haben einen Protestbrief geschrieben Der Ausstieg sei weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll. Die Abwärme in Lippendorf werde ja weiter produziert, einen ähnlich großen Abnehmer wie die Stadt werde man nicht finden. Er sei entsetzt, sagt auch der CDU-Landtagsabgeordnete Georg von Breitenbuch, in dessen Wahlkreis sich das Kraftwerk befindet.
"Unser Ministerpräsident verhandelt gerade in Berlin um den Ausstieg der Kohle beziehungsweise um das, was danach kommt. Und dass wir jetzt selbst in der Region das Zeichen setzen: 'Wir steigen selbst aus!', das konterkariert natürlich all diese Bemühungen. Die eben auch die berechtigte Sorge hat, was wird dort mit diesen Industriearbeitsplätzen, was wird dort kommen als Ersatz, die natürlich auch die Wertschöpfung bei uns vor Ort lässt?"
Oberbürgermeister will an Plänen festhalten
Das Kraftwerk des Energieproduzenten werde ja weiterhin Strom produzieren, sagt Oberbürgermeister Jung.
"Es gibt also keinen direkten Bezug von unserem Fernwärmebezug zu Lippendorf und den Arbeitsplätzen. Aber perspektivisch wird es ohne Zweifel einen Abbau geben in diesem Bereich. Und deswegen einen schrittweisen, vernünftigen Ausstieg und Umstieg jetzt zu organisieren, den Einstieg in den Ausstieg zu beginnen, ist - denke ich - eine richtige und notwendige Entscheidung."
Anders könne die Stadt ihre Klimaziele langfristig nicht erreichen, sagt Jung. Er verweist darauf, dass auch Städte wie Chemnitz oder Cottbus ähnliche Entscheidungen getroffen haben. Auch in der Braunkohlestadt schlechthin - in Brandenburg - wird ein Gaskraftwerk gebaut, beziehen die Stadtwerke ab 2022 keine Fernwärme mehr aus Braunkohleverbrennung.
Lokale Initiativen sind oft Vorreiter
Öffentlichkeitswirksam hatte Oberbürgermeister Jung die lange vorbereitete Ausstiegsentscheidung der Stadt Leipzig auf der Klimakonferenz in Katowice verkündet. Ein bisschen wirkt es wie in den USA, wo einzelne Bundesstaaten und Städte beim Klimaschutz vorangehen.
"Am Ende sind es sowieso die lokalen Lösungen, die - glaube ich - die Zukunftslösungen sind. Stellen Sie sich vor, wie großartig es wäre, wenn vor Ort in den Regionen die Energieunabhängigkeit von russischem Gas genauso wie von heimischer Braunkohle möglich wird. Und wir sollten uns auf den Weg machen und nicht warten. Sondern, das was wir vor Ort tun wollen, das wollen wir tun. Ich denke, im Ergebnis ist es vielleicht der schnellste und beste Weg."