Georg Ehring: Allen Klimabekenntnissen zum Trotz, ein großer Teil der Welt setzt nach wie vor auf die Kohle. Dabei hat sich die Staatengemeinschaft im Klimaabkommen von Paris vorgenommen, die Erderwärmung deutlich unter zwei Grad zu halten, was nur möglich ist, wenn bis Mitte des Jahrhunderts weitaus die meisten Kohlekraftwerke abgeschaltet worden sind. Doch es werden sogar neue gebaut, auch mit Hilfe der G7-Staaten, also der Gruppe reicher Industriestaaten, zu der auch Deutschland gehört. Eine Reihe von Umweltverbänden wirft gerade diesen Ländern vor, weiter Kohlekraftwerke in Entwicklungsländern zu finanzieren. Regine Richter kümmert sich in der Organisation Urgewalt um das Thema und sie habe ich vor der Sendung gefragt, wie es denn um deutsche Exportkredite für die Kohle steht.
Regine Richter: Ja, es ist tatsächlich sogar ein Argument der Kohleindustrie, dass sie sagen, weil wir in Deutschland nicht mehr bauen dürfen, müssen wir ins Ausland gehen und brauchen dabei Unterstützung. Und es gibt deutsche Unternehmen, die Kohlekraftwerke bauen und die nach wie vor das auch weltweit machen wollen und die sich auch mit Händen und Füßen dagegen wehren, dass das eingeschränkt wird.
Ehring: Und welches Volumen hat das in Deutschland und auch in den anderen G7-Staaten?
Exportprojekte für 650 Millionen Euro in der Prüfung
Richter: Der Bericht, der jetzt gerade herausgekommen ist, der hat sich angeguckt, wie sieht das aus mit Unterstützung für Kohle zwischen 2007 und 2015, und ist dann für alle G7-Länder zusammen auf 42 Milliarden US-Dollar gekommen an Unterstützung. Und Deutschland hat davon einen Anteil von etwa neun Milliarden US-Dollar.
Ehring: Die Beispiele sind ja aus der Vergangenheit, die Sie zusammengerechnet haben. Wie steht es denn um neue Projekte? Werden die auch noch verabredet?
Richter: Ja. Es ist so, dass letztes Jahr praktisch auf OECD-Ebene vereinbart worden ist, den Kohleexport einzuschränken. Es ist nachgefragt worden. Die Grünen haben im Bundestag eine Anfrage gestellt zu Projekten, die im Moment bei zum Beispiel Hermes geprüft werden für eine zukünftige Unterstützung, und sind im Bereich Kohlekraftwerke und Bergbau auf etwa eine Summe von 650 Millionen Euro gekommen, die noch in Prüfung sind. Das heißt nicht, dass die alle unterstützt werden, aber das heißt, dass so viel noch angefragt wird für eine Unterstützung für Exporte von Projekten, die dann in den Bereich Kohlekraftwerke und Kohlebergbau gehen sollen.
Ehring: Deutschland ist ja nur ein Beispiel. Wie sieht es in den anderen Staaten aus? Tut sich da vielleicht jemand besonders hervor mit der Unterstützung der Kohle?
Japan: Das sind "noch die böseren Buben"
Richter: Ja, und zwar ist es so. Dieser Bericht, der jetzt gerade rausgebracht worden ist von einigen amerikanischen Organisationen und dem WWF und japanischen Organisationen, hat sich vor allem die G7-Länder angeguckt, weil jetzt in Japan der G7-Gipfel ist. Und man muss leider sagen, dass Japan sich ganz besonders negativ hervortut. Deutschland hat praktisch in diesem Zeitraum 2007 bis 2015 mit neun Milliarden unterstützt; Japan hat in der gleichen Zeit mit 22 Milliarden US-Dollar unterstützt im Bereich Kohlebau weltweit. Und die tun sich da auch nach wie vor sehr stark hervor. Im letzten Jahr, wenn man sich das anguckt, hat es Unterstützung im Kohlebereich gegeben in der Höhe von 2,5 Milliarden US-Dollar und davon hat allein Japan einen Anteil von 1,4 Milliarden US-Dollar. Die sind da wirklich noch die böseren Buben als quasi Deutschland.
Ehring: Schauen wir mal auf die Nehmerländer. Welche Länder sind nach wie vor der Meinung, dass sie billige Kohle für die Armutsbekämpfung brauchen?
Richter: Vor allem in Südostasien ist da sehr viel in Planung. Indien tut sich da sehr hervor, aber auch zum Beispiel die Philippinen, Indonesien, Bangladesch. Da sind eine ganze Reihe von Ländern, die Kohleprojekte planen, Kohlekraftwerke planen, auch zum Teil in einem sehr großen Rahmen, wobei man auch dazu sagen muss: In all diesen Ländern gibt es auch sehr starken Widerstand gegen solche Neubauten von Kohlekraftwerken.
Ehring: Können Sie die Argumente dieser Länder denn nachvollziehen? Die Menschen brauchen ja wirklich die Energie.
Die Ärmsten haben weiter keinen Stromanschluss
Richter: Na ja. Das Problem ist: Wenn man sich anguckt, Kohlekraftwerke, die gebaut werden, und der Zugang gerade von armen Menschen zu Energie, das steht leider in keiner Korrelation. Wenn man sich zum Beispiel gerade Indien anguckt: In den Regionen, wo es die höchste Anzahl von Kohlekraftwerken gibt, ist es so, dass im Prinzip die wenigsten Menschen über einen Stromanschluss verfügen. Es werden oft Kohlekraftwerke gebaut, der Strom wird genutzt für die Industrie, aber er wird nicht dafür genutzt, dass tatsächlich die Ärmsten Zugang zu Strom oder zu Energie bekommen. Insofern ist das Argument zwar immer wieder gerne vorgebracht, aber wenn man es sich im Detail anguckt, trifft es nicht wirklich zu.
Ehring: Wie schnell muss denn der Ausstieg aus Ihrer Sicht aus solchen Projekten kommen, um das Klima zu schützen?
Richter: Im Prinzip, wenn man sich anguckt ein Zwei-Grad-Ziel oder ein stärker noch sogar ein 1,5-Grad-Ziel, ist das nicht kompatibel mit dem Bau von neuen Kohlekraftwerken. Das heißt, wir brauchen auf jeden Fall in den Industrieländern einen sehr schnellen Ausstieg aus Kohle, auch aus existierender Kohle, und im Prinzip dürfen eigentlich keine neuen Kohlekraftwerke mehr gebaut werden weltweit. Auch selbst die effizientesten sind nicht kompatibel mit dem Zwei- oder deutlich darunter Grad-Ziel.
Ehring: Soweit Regine Richter von Urgewalt über Kohlefinanzierung durch die G7-Staaten. Das Interview haben wir kurz vor der Sendung aufgezeichnet.
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