Sigmar Gabriel versucht, den Konflikt mit den Gewerkschaften zu entschärfen. Arbeitsplätze und Klimaschutz dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden, schreibt Gabriel in einem Brief an den lieben Michael Vassiliadis und den lieben Frank Bsirske. Die Vorsitzenden der beiden Gewerkschaften IG BCE und Verdi haben zu der Demonstration in Berlin aufgerufen, aus ihrer Sicht stehen 100.000 Jobs in Kraftwerken, Braunkohletagebauen und anderen Teilen der Wirtschaft auf dem Spiel.
Diese Zahl wird bezweifelt, das Umweltbundesamt beispielsweise erwartet höchstens den Verlust von 4.700 Jobs. In dem Brief verspricht Gabriel, die möglichen Folgen seiner Vorschläge auf die Jobs zu überprüfen. Vorher werde nichts entschieden, und dann verspricht Gabriel brieflich auch das, was er mit Blick auf die Proteste schon am Mittwoch in Berlin sagte:
"Sollte sich am Ende dieses Diskussionsprozesses ergeben, dass Befürchtungen berechtigt sind, dann werden wir die Vorschläge verändern."
Konziliant ist das Wirtschaftsministerium aber nur in einem Detail der umstrittenen Klimaschutzabgabe. Bisher ist geplant, alten Kohlekraftwerken eine Freigrenze zuzubilligen, bis zu dem sie Strom produzieren können wie bisher. Oberhalb dieser Freigrenze sollen diese Kraftwerke dann für jede weitere Tonne CO2 einen Klimabeitrag von 18 bis 20 Euro je Tonne zahlen. Strom aus Braunkohlekraftwerken würde dadurch verteuert. Die Kraftwerke, so das Kalkül, kämen weniger zum Einsatz, ihr CO2-Ausstoß sänke - und zwar genau um die 22 Millionen Tonnen im Jahr, die Gabriel als Beitrag zum Klimaschutz von den Kraftwerken fordert. Nun rechnet das Ministerium durch, ob die Höhe der Abgabe auch an die Höhe des Börsenstrompreises bis 2020 gekoppelt werden könnte, so Gabriels Staatssekretär Rainer Baake:
"Das heißt, es gibt eine Wenn-dann-Formel: Wenn der Strompreis hoch ist, ist auch der Klimabeitrag hoch, ist der Strompreis niedrig, ist auch der Klimabeitrag niedriger."
Gabriel will nicht am Klimaschutzziel rütteln
Dieses Zugeständnis im Detail bedeutet aber auch: In der Sache bleibt Gabriel hart: Am übergeordneten Klimaschutzziel, bis 2020 den CO2-Ausstoß insgesamt in Deutschland um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken, wird nicht gerüttelt. Dieses 40-Prozent-Ziel will sich Gabriel auch beim Koalitionsgipfel am Sonntag bestätigen lassen. Nicht nur er verweist darauf, dass Kanzlerin Merkel selbst es war, die 2007 dieses 40-Prozent-Ziel ausgab. Und ohne einen konkreten Plan, wie dieses Ziel erreicht wird, stünde Merkel auch beim G7-Gipfel im Juni in Bayern und beim Weltklimagipfel im Dezember in Paris mit leeren Händen da.
Der Streit um die Klimaabgabe für Kraftwerke stellen die Energiewirtschaft. vor eine Zerreißprobe. 70 Stadtwerke unterstützen ausdrücklich Gabriels Pläne für eine Abgabe, die vor allem die Energiekonzerne RWE und Vattenfall mit ihren Braunkohlekraftwerken und -tagebauen träfen.
Um die Risse in der Branche zu kitten, forderte der Branchenverband BDEW nun einen runden Tisch für die Braunkohle - ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Jobs in der Braunkohle keineswegs mehr sicher sind. In dieses Bild passt auch die Ankündigung des ostdeutschen Energiekonzerns Mibrag. Dieser legte den geplanten Bau eines neuen Kohlekraftwerks im Süden Sachsen-Anhalts heute auf Eis.