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Kohlefaser statt Aluminium

Luftfahrt.- Der Jungfernflug des Boeing Dreamliners steht bevor. Das Besondere an dem neuen Flugzeug ist, dass dessen Rumpf erstmals komplett aus Kohlefaserverbundwerkstoffen gefertigt wurde. Martin Wiedemann, Professor am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrtechnik in Braunschweig, erklärt im Interview die Vor- und Nachteile dieser Bauweise.

    Ralf Krauter: Bis zu 330 Passagiere soll der Boeing Dreamliner 787 einmal transportieren und dabei 20 Prozent weniger Kerosin schlucken als vergleichbare Jets. Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, haben die Ingenieure konsequent auf Leichtbau gesetzt. Erstmals bei einem Flugzeug dieser Größenordnung besteht auch der komplette Rumpf aus Kohlefaserverbundwerkstoffen. Von Professor Martin Wiedemann vom Institut Faserverbundleichtbau des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt wollte ich vorhin deshalb wissen: Ist der heutige Erstflug des Dreamliners denn einer wie viele andere oder hat er eine besondere Qualität?

    Martin Wiedemann: Nein, der Jungfernflug der 787 ist schon ein besonderer Erstflug. Erstmalig fliegt ein großes Passagierflugzeug mit einem Rumpf aus Kohlefaserverbundwerkstoff. Wir kennen inzwischen Seitenleitwerke, wir kennen Flügel aus Kohlefaserverbundwerkstoffen aber ein Rumpf in dieser Größenordnung ist erstmalig in der 787 realisiert worden. Insofern ist das schon ein besonderes Ereignis.

    Krauter: Wie viel riskiert Boeing mit diesem Technologiesprung tatsächlich? Also weg vom Alu, hin zu Faser...?

    Wiedemann: Also sagen wir mal, das Risiko ist vielleicht gar nicht so groß, was jetzt die Zulassung angeht. Da gibt es auch offene Fragen, die noch geklärt werden müssen mit den Zulassungsbehörden. Was noch viel anspruchsvoller ist, ist die Gewichtsziele zu erreichen, die mit diesem Werkstoff zu realisieren sind – vorausgesetzt man konstruiert mit ihm auch Faserverbundgerecht und das ist die große Herausforderung für die Technik, weil man heute viel Erfahrung hat in der Konstruktion metallischer Rümpfe. Im Faserverbund fängt man jetzt an. Und man macht erstmal eigentlich etwas, was nicht gut ist: man macht black Metall. Black Metall heißt, dass ich eine Bauweise für den Faserverbund wähle, die nicht optimal ist, sondern die sich anlehnt, die sehr ähnlich der ist, die ich bei metallischen Bauweisen auch wählen würde. Spant, Stringer sind wesentliche Bauelemente eines Rumpfes und diese Spant-Stringer-Konfiguration zum Beispiel im Faserverbund abzubilden, bedeutet, dass ich einige Potenziale dieses Werkstoffes gar nicht ausnutzen kann.

    Krauter: Woran liegt das denn, das man sich bei großen Passagierfliegern erst jetzt dranmacht, diese Potenziale überhaupt auszuloten und künftig auch zu verwirklichen dann wahrscheinlich. Bei Segelflugzeugen und Jachten sind solche Materialien ja seit Jahrzehnten eigentlich schon fast Standard. Warum springen Boeing und auch Airbus erst jetzt auf diesen Zug auf?

    Wiedemann: Naja, es sind sowohl die Kosten für den Werkstoff als auch die Anforderungen in der zivilen Luftfahrt, die diesen Schritt, sag ich mal, sehr aufwendig machen und sehr hohe Investitionen bedeuten, sehr viel höhere Investitionen als jetzt bei Neubau in einer metallischen Bauweise mit sich brächte, wo ich auch schon auf bekannte Verfahren und Anlagentechniken zugreifen kann. Also der Schritt in die CFK-Bauweise auch für den Rumpf ist notwendig geworden im Zuge der Sicherung, der Nachhaltigkeit unserer Mobilität. Man kann schon sagen, dass eine 15-prozentige Gewichteinsparung eine fünf- bis zehnprozentige Einsparung in der CO2-Emission zur Folge hat. Und das ist letzten Endes das Motiv, sich auch in diese neue Kategorie von Werkstoff für den zivilen Flugzeugbau in dieser Größenordnung vorzuwagen.

    Krauter: Aus diesem Grund ist ja auch Airbus an der Technologie dran. Der neue Flieger A350, der gerade entwickelt wird, soll auch größten Teils aus Kohlefaserverbundwerkstoffen bestehen. Gibt es Lehren, die die Airbus-Ingenieure aus den Problemen, die Boeing hatte, ziehen können?

    Wiedemann: Also es werden mit Sicherheit sehr viele Lehren gezogen aus diesen Erfahrungen, die Boeing jetzt mit der 787 macht. Ein äußerer Ausdruck davon ist schon mal die Wahl der Schalenbauweise. Wir wissen, dass die Boeing 787 aus eben ganzen gewickelten Rumpftonnen zusammengebaut wird – was eine sehr anspruchsvolle und auch sehr schwierig zu beherrschende Technologie in der Fertigung darstellt und auch im späteren Service natürlich Fragen aufwirft, wenn ich Bauteile austauschen müsste in Folge großflächiger Beschädigung. Airbus hat stattdessen ein Vierschalen-Konzept gewählt, das heißt der Rumpf ist nach wie vor nicht aus ganzen Tonnen, sondern aus Schalen gefügt, die dafür aber eine sehr viel größere Länge haben. Die Zahl der Nähte ist also auch deutlich reduziert worden gegenüber metallischen Bauweisen, aber es ist ne andere Bauweise, wie man den Rumpf zusammen baut, das ist ein ..., den Airbus zum Beispiel aus den Erfahrungen von Boeing gezogen hat.

    Krauter: Der Boeing Dreamliner soll in gut zwei Stunden erstmals abheben. Informationen dazu von Professor Martin Wiedemann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Braunschweig.