"Die schlichte Wahrheit ist: Die Lausitz braucht vor allem neue Arbeit, wenn es bundespolitisch gewollt ist, die alte, aber einträgliche und solide Arbeit abzubrechen. Der Worte sind genug gewechselt, nur es fehlt wieder mal an den Taten. Offenbar ist die Dimension dieses Strukturwandels leider noch immer nicht überall klar." "Jawoll!"
Cottbus, die größte Stadt der Brandenburger Lausitz, Neujahrsansprache von Oberbürgermeister Holger Kelch. Seit mehr als 100 Jahren sichert die Braunkohle hier in der strukturschwachen Region ein gutes Einkommen. 8.000 Männer und Frauen arbeiten noch direkt im Bergbau, dazu kommen die Jobs in der Zulieferindustrie. Die Menschen warten darum ungeduldig auf die Vorschläge der Kohlekommission, wie es mit ihrer Heimat weiter gehen soll. Hoffentlich nicht so wie nach der Wende, als die Lausitz einen massiven Strukturbruch erlitt: Kraftwerke und Tagebaue wurden reihenweise geschlossen.
"Wir haben allein in Cottbus 30.000 Einwohner verloren in den letzten 30 Jahren. Wir haben 23 Schulen geschlossen, wir haben 50 Kindertagesstätten schließen müssen. Was das bedeutet, welche Auswirkungen das hat, das können wir nicht noch mal dieser Region zumuten, in der auch 1,1 Millionen Menschen leben und die auch für ihre Kinder und Kindeskinder eine Zukunft haben wollen."
Landesregierung hat auf das bevorstehende Aus nicht reagiert
Die rot-rote Landesregierung in Potsdam hätte schon vor Jahren einen Masterplan für die Lausitz entwerfen müssen, sagen die Kohle-Gegner Sybille und Alexander Tetsch in Proschim. Doch die Regierenden hätten den bevorstehenden Ausstieg nicht wahrhaben wollen.
"Wir gehen jetzt zum aktuellen Tagebau Welzow Süd."
Bis 500 Meter an den Rand von Proschim hat sich der Tagebau vorgearbeitet. Wird die Grube noch erweitert, wie ursprünglich vom Betreiber geplant, muss das Dorf umgesiedelt werden.
"Der ist 95 km² groß inzwischen, also wirklich neunmal über zehn Kilometer und hier können Sie tief in das Herz der Erde gucken. Also diese große Wunde dort, über 100 Meter tief."
Tief unten in der riesigen Grube dröhnt die große Förderbrücke F 60. Der Ausstieg aus der klimaschädlichen Traditionsindustrie könnte eigentlich eine Modernisierungschance für die Lausitz sein, sinniert Alexander Tetsch später in seinem gemütlichen Restaurant "Schmeckerlein" in Proschim.
"Brandenburg liegt an einer Transitschlagader Richtung Osten. Wo sind die Logistikdienstleister, die hier ihre Hallen haben, ihre Umschlagplätze? Wo ist die Gleisanbindung Richtung Osten? Sie können ja nicht mal mehr mit dem Zug geregelt in Richtung Polen durchfahren. Oder wo ist die Vision einer grenzübergreifenden Metropolregion? So was müsste es auch hier geben. Aber auch das sind Visionen, die man hier nicht hat. Also ich sehe wirklich keine Vorstöße von der Landesregierung, auch mal auf nicht ausgetretenen Pfaden zu wandeln und uns da mitzunehmen."
Strukturhilfen in Milliardenhöhe gefordert
Nun gibt die Bundesregierung die Richtung vor. Und Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke fordert unisono mit den anderen vom Kohle-Ausstieg betroffenen Bundesländern Hilfen für den Strukturwandel. Die bisher im Bundeshaushalt eingeplanten 1,5 Milliarden Euro könnten da nur ein erster Schritt sein.
"Der zweite Punkt wird sein ein Maßnahmengesetz, das der Deutsche Bundestag dann verabschieden soll. Es wird darum gehen, zusätzliche wissenschaftliche Kompetenz in der Lausitz anzusiedeln, für Brandenburg ganz entscheidend. Der dritte Punkt wird sein eine Stiftung nach dem Modell der Ruhrkohle-Stiftung, die 1988 ins Leben gerufen worden ist mit einem jährlichen Zuschuss des Bundes."
Denn der Verzicht auf die Braunkohleverstromung zugunsten der Klimaziele wird teuer. Das rechnet auch Brandenburgs neuer Wirtschafts- und Energieminister Jörg Steinbach vor:
"Wir gehen von diesen 1,5 Milliarden pro Jahr für die drei Reviere aus und das über einen Zeitraum 20, 25, 30 Jahre. Dann sind wir an der Stelle bei den Größenordnungen, die wir tatsächlich brauchen werden."