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Kohlekraft
Polen ächzt unter hohen Energiepreisen

Gemessen am verfügbaren Einkommen zahlen polnische Stromkunden schon jetzt die mit höchsten Preise auf dem Kontinent. Was auch daran liegt, dass zwar die heimische Kohleförderung drastisch gesunken ist, nicht aber der Energiebedarf. Die Lücke füllen teure Importe - ausgerechnet aus der Ost-Ukraine.

Von Jan Pallokat |
    Rauch steigt aus den Schornsteinen im Kohlekraftwerk Lagisza bei Kattowitz.
    80 Prozent der Energie in Polen stammt aus der Kohle - das belastet auch Umwelt und Klima (dpa-Bildfunk / Monika Skolimowska)
    Noch für 200 Jahre werde die polnische Kohle reichen, zitierte Staatspräsident Andrzej Duda Experten vor polnischen Bergleuten; solange er Präsident sei, werde er den polnischen Bergbau nicht sterben lassen, Klimagipfel hin, Klimagipfel her. Die Sache hat nur diesen Haken: Die besten Vorkommen sind ausgeschöpft; um noch mehr Kohle aus dem Boden zu holen, müssen die staatlichen Förderbetriebe immer größeren Aufwand betreiben. Adam Bielan von der regierenden PiS-Partei widersprach dem Präsidenten:
    "Es gibt solche Vorkommen, aber sie liegen immer tiefer, die Förderkosten werden immer höher. Ökonomisch gibt es keine Begründung, sie zu fördern. Russische Kohle dagegen liegt praktisch unter der Oberfläche."
    Heimische Kohleförderung sinkt
    Tatsächlich sank die heimische Kohleförderung in Polen in den letzten Jahren von etwa 80 auf 60 Millionen Tonnen, nicht aber der Bedarf. Folge: Immer mehr Importkohle füllt die Lücke, und die kommt nach amtlichen Daten vorwiegend aus Russland. Polen hat die in der Region höchsten Großhandelspreise für Strom; Haupttreiber dabei: das europäische System der Emissionszertifikate: Für Kohlkraftwerke nämlich müssen besonders viele dieser Verschmutzungsrechte erworben werden, deren Preis sich aber seit Jahresbeginn etwa verdreifacht hat.
    Und so haben die polnischen Energieversorger für das nächste Jahr beim Regulierer Preiserhöhungen um im Schnitt 30 Prozent beantragt. Gemessen am verfügbaren Einkommen, zahlen polnische Stromkunden schon jetzt die mit höchsten Preise auf dem Kontinent.
    Importe ausgerechnet aus der Ost-Ukraine
    Der Energieminister verspricht für das polnische Superwahljahr 2019 Entlastung: der Staat werde Preissteigerungen durch Zuschüsse abfedern. Doch es geht nicht nur um private Stromkunden; der teure Kohlestrom macht auch Unternehmen zu schaffen, den Kommunen und öffentlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern. Die Journalistin Karolina Baca-Pogorzelska:
    "Wo der Energiepreis nicht reguliert wird, hört man von 30, 50, 60 Prozent Preiserhöhung. Grund ist der Preisanstieg bei Kohle, aus der wir 80 Prozent der Energie gewinnen. Und Kohle ist auch der größte Emittent von CO2 und dafür muss man zahlen."
    Ihre Zeitung "Dziennik" macht derweil auch auf einen anderen Aspekt aufmerksam, der vielleicht zu Unrecht im Schatten des Streits um die Ostseepipeline Nord Stream 2 und um russisches Gas steht: Nach Recherchen des Blatts ist Polen der in Europa drittgrößte Importeur von Steinkohle aus den pro-russischen Separatisten-Gebieten in der Ost-Ukraine. Die Kohle werde laut Zeitung in Russland umdeklariert und dann - legal - in die EU eingeführt. Bei der Stromgewinnung in Polen spiele sie zwar keine besondere Rolle; sie werde in der Industrie eingesetzt oder weiter exportiert. Die polnische Regierung aber, die sich immer wieder für Sanktionen gegen Russland stark macht, fiel bislang nicht durch Initiativen auf, diese Praxis zu beenden, die letztlich dem Separatisten-Regime in der Ost-Ukraine dient.