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Kohlerevier Schlesien
Dicke Luft und schwarzes Gold

Polen ist der größte Kohleförderer in der EU. Unlängst erteilte das Land dem europäischen Green Deal eine Absage. Während in Brüssel die Politiker pokern, hat unter der Erde der Wandel längst begonnen. Nirgendwo wird das deutlicher als in Katowice.

Mit Reportagen von Anja Schrum und Ernst-Ludwig von Aster |
    Blick über die polnische Stadt Kattowitz, die am 30. November 2018 unter einer Smogdecke liegt. Im Vordergrund: die Marienkirche.
    Dicke Luft: Die polnische Stadt Katowice liegt am 30. November 2018 unter einer Smogdecke liegt. (picture alliance / NurPhoto)
    Sie sind bunt und heißen "City", "Techno" oder "Bandit Scarf". Das Geschäft mit Atemschutzmasken boomt in Schlesien. Sogar eine "Anti-Smog-Pille" ist im Angebot. 80 Prozent der Privathaushalte heizen im polnischen Kohlerevier Schlesien mit Kohle. Oft wird minderwertiges Material verbrannt, das die Gruben anders nicht mehr loswerden. Der Smog im Revier ist teilweise so stark, dass Schulen und Kindergärten geschlossen werden müssen.
    Kohlehauptstadt Katowice
    Nirgendwo wird Polens selbstgewählte Abhängigkeit von der Kohle deutlicher, als in der schlesischen "Hauptstadt". Hier hat der größte europäische Kohlekonzern PGG seinen Sitz, hier fördern noch eine Handvoll Bergwerke das "schwarze Gold". Vor gut einem Jahr fand hier die Weltklimakonferenz statt. Die Luftqualität hat sich seitdem nicht verbessert. Jetzt tagte die Weltklima-Konferenz in Madrid und wieder ging es nicht recht voran. Wenige Tage zuvor hatte Polen Ausnahmeregelungen für Europas Ziel "Krimaneutralität" ausgehandelt.
    Niedergang der Kohleindustrie
    Doch rund um Katowice lässt sich auch der Niedergang des Kohlebergbaus beobachten. Im Zentrum der Stadt wurde die Zeche geschlossen, zu Füßen des Förderturms steht nun eine riesige Shopping-Mall. Die Bergbau-Unternehmen bilden keine neuen Kumpel mehr aus. Und über 50 Prozent der Steinkohle, die in polnischen Kraftwerken verfeuert wird, kommt mittlerweile aus Russland. Tendenz steigend. Derweil haben sich viele neue Betriebe im alten Kohle-Revier etabliert. Solche, die nicht mehr aufs "schwarze Gold" setzen …
    Schlesisches Museum, Kattowitz, Polen
    Katowice - Bergbauregion im Wandel
    Polens "schwarzes Herz" wird die Region um die schlesische Kohle- und Stahlstadt Katowice genannt. Viele stehen hier noch treu zum Bergbau. Aber die Zeiten ändern sich, Dutzende Zechen wurden geschlossen, weitere sollen folgen. Der wirtschaftliche Wandel funktioniert, es fehlt sogar an Arbeitskräften.


    Eine Smog-Alarm-Säule am Rathaus in Bytom (Polen)
    Luftverschmutzung in Bytom
    Atemschutzmasken sind gängig in den Wintermonaten. Viele Bewohner im schlesischen Bytom heizen mit alten Kohleöfen. Die Regierung hat einen 10-Jahresplan für energetisches Heizen aufgelegt, aber vorerst schlagen Kitas und Schulen noch regelmäßig Smog-Alarm.

    Bergarbeiter einer Kohlenmine, die geschlossen werden soll, starten im polnischen Bytom  am 17.11.2003 einen 24-stündigen Warnstreik gegen den Verlust ihrer Arbeitsplätze.
    Polens stolze Bergarbeiter
    Bergmänner genossen in Polen lange einen Sonderstatus. Die Region Schlesien versorgte das Land mit Kohle und Stahl. Die Arbeiter bekamen Extra-Löhne und Vergünstigungen. Davon können Kumpel von heute nur träumen und mancher setzt zur Rettung der Kohle auf die nationalkonservative PiS-Regierung.

    Lernen für die Energiewende: Der Schulungsraum im Euro-Centrum in Katowice
    Neue Energie mit EU-Geldern
    Ein Großteil der Primärenergie Polens stammt aus Kohlekraft. Die Mehrheit der Polen findet den Klimawandel bedrohlich, aber einen Kohleausstieg ebenso problematisch. Für die Energiewende braucht es Überzeugungsarbeit und es braucht Vorbilder, wie den Technologie-Park in Katowice.
    Leerstehende Wohnung von Bergarbeitern
    Spätfolgen des Kohleabbaus
    Bytom war eines der bedeutendsten Industriezentren Schlesiens. Heute kämpft die Stadt mit den Hinterlassenschaften dieser Blütezeit: Industriegebäude verfallen, die Böden sind teils verseucht und mancherorts schwankt der Untergrund.