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Kolonialismus in der DDR-Außenpolitik
Das Schicksal der vergessenen Gastarbeiter

Rund 20.000 Gastarbeiter aus Mosambik kamen in den 1980er-Jahren in die DDR. Dort machten sie eine Ausbildung, um dann in ihrer Heimat die Wirtschaft aufzubauen. Eine Ausstellung erinnert nun an das Schicksal der "Madgermanes", der verrückten Deutschen, die bis heute auf einen Teil ihres Lohnes warten.

Von Carsten Probst |
    Plakat Madgermanes
    Pedro "Dito" Tembe aus Mosambik hat zwischen 1985 und 1989 als damaliger Vertragsarbeiter in der Lederverarbeitung der DDR gearbeitet. In allen größeren Städten der DDR waren die Gastarbeiter beschäftigt, Tembe war mit vier- oder fünfhundert Landsleuten nach Schwerin beordert worden.
    An die Wand des Wohnheims, in dem er lebte, malte er damals ein Kampfbild aus dem 16-jährigen Bürgerkrieg in seiner Heimat, dem er entflohen war. Im Stil mosambikanischer Tradition zeigt es eine Frau mit Buch und Gewehr, Hommage an die jungen Frauen, teilweise noch Schülerinnen, die während des Bürgerkrieges auch Kämpferinnen waren.
    "Mein Glück war die DDR"
    Das Wohnheim ist längst abgerissen, aber aus dem Gedächtnis und nach Fotografien hat Dito Tembe die Malerei nun, drei Jahrzehnte später und unter historisch völlig veränderten Bedingungen, noch einmal auf einer Wand im Schweriner Kunstverein wiederholt.
    "Ich erinnere mich, wir hatten zwei Möglichkeiten, raus aus Mosambik zu gehen. Weil das politische System war sehr stark und schlecht für irgendwelche Jungen. Und wir hatten zwei Möglichkeiten, entweder nach Südafrika oder in die DDR. Und mein Glück war hier. Wir wurden nicht gezwungen, herzukommen. Also, die DDR war eine Möglichkeit."
    Stadtführer in Maputo
    Erinnert sich Dito Tembe heute, da er inzwischen als professioneller Künstler in Maputo arbeitet und manchmal auch wegen seiner guten Deutschkenntnisse Besucher aus der Bundesrepublik durch die Stadt führt.
    Für ihn und seine Altersgenossen war die DDR damals ein großes Versprechen, man wollte unbedingt aus dem vom Bürgerkrieg zerrütteten Mosambik heraus, auch wenn sein Eindruck von der DDR, wie er sie damals erlebte, gespalten war.
    "Erstmal die Organisation, das war sehr stark. Anderer Eindruck war, dass die Deutschen sind ganz ruhig und alles war grau. Schnee war da schon, wenn ich nicht irre. Aber die Farben erstmal, also der Himmel war grau und viele Leute mit schwarzem Anzug, das war mein anderer Eindruck."
    Mehr als ein Bericht über persönliche Erinnerngen
    Das Schweriner Ausstellungsprojekt will das Thema weiter fassen, als nur über persönliche Erinnerungen von Betroffenen zu berichten. So setzt sich der Künstler Edson Chagas aus Angola besonders mit den Vorstellungen des Fremden auseinander. Er hat Porträtfotografien geschaffen, bei denen seine Modelle zwar heutige westliche Kleidung tragen, vor den Gesichtern jedoch traditionelle Bantu-Masken. Diese Porträts hat Chagas auf den Straßen Schwerins neben den gerade aktuellen Plakaten zur Bundestagswahl gehängt und spielt so mit den Klischees der öffentlichen Inszenierung von Identitäten.
    Auch das gehört zur Geschichte der Madgermanes: Sie sind zwischen die Räder der Weltpolitik geraten, wie so viele nach dem Ende des Sozialismus – wer aber kümmert sich um ihre Rechte heute?
    Ein Fotoprojekt von Felix Mula und Simon Gush dokumentiert die Hinterlassenschaften der Arbeitsmigration im benachbarten Südafrika, die ebenfalls politisch nie aufgearbeitet wurde. Die jahrelangen öffentlichen Proteste der Madgermanes in Maputo, von der Filmemacherin Tina Krüger im Video festgehalten, blieben bislang auch erfolglos. Für sie geht es nach wie vor um existenziell wichtige Geldsummen in einem der ärmsten Ländern der Welt.
    Recherche nach einer transnationalen Verantwortung
    Im Frühjahr nächsten Jahres wird dieses Ausstellungsprojekt dann auch in Maputo gezeigt werden. Im Grunde ist es eine Recherche nach einem transnationalen Gedächtnis, nach einer transnationalen Verantwortung abseits von politischen Systemfragen – eine Recherche, die man eher auf der documenta oder beim künftigen Berliner Humboldt-Forum erwartet hätte. Dass dieses Projekt der kleine Schweriner Kunstverein auf die Beine gestellt hat, der bis vor einigen Jahren noch nicht einmal über eine eigene Ausstellungshalle verfügte, macht es besonders bemerkenswert.