"Es gibt Schöneres!", sagen alle, die sich schon mal auf eine Darmspiegelung vorbereitet haben. Die "Abführlösung" – meist Polyethylenglycol mit Wasser – schmeckt einfach scheußlich. Dagegen vergeht die eigentliche Untersuchung "wie im Flug", so die Erfahrung von Marianne Wilten aus Gehrden bei Hannover:
Also ich habe überhaupt nichts davon mitbekommen. Nach der Schlafspritze bin ich vollkommen weggetreten und erst wieder aufgewacht, als alles vorbei war.
Die "Kurznarkose" hat viel vom Schrecken der Darmspiegelung genommen. Aber auch sonst habe sich in der jüngsten Zeit einiges verbessert, ergänzt Dr. Jens Müller-Ziehm, der in seiner gastro-enterologischen Schwerpunktpraxis in Hannover mehrere tausend Untersuchungen im Jahr durchführt.
"Die Gerätetechnik ist besser geworden: Wir arbeiten jetzt mit Video-Endoskopen, die sind hochauflösend. Wir arbeiten mit Farbe und wir können damit die Darmschleimhaut viel gezielter und besser untersuchen und auch die Detektionsfähigkeit für Polypen, insbesondere für flache Polypen, die man früher häufig übersehen hat, erhöht. Dadurch gelingt es uns jetzt auch im rechten Dickdarmteil Polypen nachzuweisen, was bisher nicht so gut gelang."
Früher wurde der Dickdarm mit Luft aufgedehnt, um eine bessere Übersicht mit dem Endoskop zu bekommen. Heute geschieht das vielfach mit Kohlendioxid, einem Gas, das von der Darmwand aufgenommen wird. Blähungen danach gehören damit zur Vergangenheit. Es gab aber auch schwere Komplikationen – Todesfälle sogar durch Herzversagen.
"Die Berichte, die über negative Narkose – Zwischenfälle – in den Zeitungen standen, das waren fast immer Fälle, wo die Sorgfaltspflicht nicht richtig wahrgenommen wurde. Wo das Personal nicht adäquat ausgebildet wurde, und da muss man natürlich ganz empfindlich sein und sehr, sehr vorsichtig sein, weil es ist ein gesunder Patient, der vor mir ist und die Maßnahmen, die ich ergreife, müssen sehr sehr qualifiziert und gut sein, damit ich möglichst alle Risiken minimiere."
Die Gefahr von Darmkrebs bannen
Nach einer Auswertung von 3,8 Millionen Vorsorge-Untersuchungen zählte das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung nur 521 Komplikationen: 13 Fälle auf 10.000 Untersuchungen. Schwerwiegendere Probleme entstanden nur bei vier pro 10.000 Untersuchungen. Je älter der Patient, so Bilanz, desto höher das Risiko für Zwischenfälle:
"Ja, man sagt, über 75 würde man eine reine Vorsorge nicht unbedingt befürworten, wobei auch ältere Patienten sehr gut zu untersuchen sind. Es gibt ja dann noch neben der Vorsorge als Indikation auch andere Gründe, ältere Patienten zu untersuchen. Aber als Vorsorge, als reine Vorsorge, würden wir die Patienten gerne etwas früher haben. Männer schon ab 50. Mit 55 bezahlt es letztlich auch die Kasse, und Patienten über 55 sollten sich auf jeden Fall einer solchen Vorsorgeuntersuchung unterziehen."
Mit keinem anderen Verfahren lassen sich Darmpolypen so effektiv erkennen und auch entfernen. Und damit ist auch die Gefahr für Darmkrebs gebannt. Der Nutzen der Koloskopie als Vorsorgeuntersuchung ist nach Ansicht von Prof. Michael Manns von der Medizinischen Hochschule Hannover über jeden Zweifel erhaben. Anders – so der Gastroenterologe – mag das bei der Mammografie oder beim PSA-Test aussehen.
"Mammografie ist eine Röntgenuntersuchung, die so eigentlich seit Jahrzehnten durchgeführt wird. Wir haben aber inzwischen Ultraschalluntersuchungen, wir haben genetische Untersuchungen. Ich glaube, dass wir auch den technologischen Fortschritt hier in der Medizin in die Überdenkung der Vorsorgestrategien kontinuierlich einfließen lassen müssen. Die Darmkrebsvorsorge ist sicherlich überhaupt nicht infrage zu stellen, andere Dinge möglicherweise schon, und das ist auch gut so."