"Wir sind sehr aktiv beteiligt im Friedensprozess, besonders wo es darum geht, lokale Gemeinschaften, die sich dem Friedensprozess öffnen, zu schützen und zu begleiten. Wir versuchen ökumenisch, eine Kultur der Nicht-Gewalt zu fördern. Gleichzeitig wissen wir, dass auf der großen politischen Ebene ganz andere Kräfte agieren und die Zukunft des Friedensvertrags ziemlich auf der Kippe steht", sagt der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes, der chilenische Pfarrer Martin Junge.
Er weiß wovon er spricht. Denn im Hintergrund der blutigen Auseinandersetzungen geht es in Kolumbien wie in den meisten südamerikanischen Ländern um viel Geld: Guerilla-Truppen und Paramilitärs setzen die arme, überwiegend indigene Bevölkerung unter Druck, um Bodenschätze auszubeuten oder Drogen anzubauen, die auf dem internationalen Markt reißend Abnahme finden. Die Kirchen, so Junge, bemühten sich in den betroffenen Gemeinden durch Schulungen Kompetenz und Selbstbewusstsein zu fördern:
"Wir unterstützen besonders die afrokolumbianische Bevölkerung auf der pazifischen Seite, die in Gebieten leben, wo der Druck auf Mineral- und Öl-Ressourcen sehr stark ist."
Doch der Einsatz fordert oft einen hohen Preis: erst kürzlich schlug die Caritas Alarm, weil im Süden Kolumbiens eine junge Mitarbeiterin spurlos verschwunden ist. Sie sei aufgrund ihres Engagements in einer Frauenrechts-Gruppe bedroht und möglicherweise ermordet worden, erklärten ihre Kollegen.
Enorme soziale Unterschiede
Kolumbien zählt zu den Ländern mit der höchsten Rate an Morden weltweit. In den letzten 50 Jahren kamen bei bewaffneten Übergriffen und Konflikten rund eine Viertel Million Menschen ums Leben. Vergewaltigung, Folter und andere Formen brutaler Gewalt gehören in vielen Gebieten zur Tagesordnung, erläutert der Ökumene-Beauftragte der katholischen Bischofskonferenz Jorge Bustamante:
"Unsere ganze kirchliche Arbeit ist hier in Kolumbien darauf ausgerichtet, die Gewalt einzudämmen und Frieden zu schaffen. Dabei arbeiten wir als katholische Kirche - zu der rund 80 aller Kolumbianer gehören - ökumenisch eng mit den Vertretern der anderen historischen Kirchen zusammen. Wir leisten viel praktische und psychologische Hilfe für Gewalt-Opfer und fördern rund 7000 Friedens-Programme in den einzelnen Gemeinden und Diözesen."
Die Guerilla-Truppen entstanden in Kolumbien in den 60er Jahren. Sie waren eine Reaktion auf die enormen sozialen Unterschiede zwischen einer kleinen vermögenden Oberschicht und Millionen von notleidenden Menschen, meist indigener Herkunft. Die Guerilleros rebellierten gegen Armut, Ungerechtigkeit und Korruption, setzten auf kommunistische Ideale und gewannen damit im Volk zunächst viele Sympathisanten.
"Sich einer Guerilla-Gruppe anzuschließen, war in Kolumbien früher oft eine ideologische Entscheidung. Aber inzwischen sehen viele die Arbeit für die Guerilla nur noch als Job. Es ist einfach eine Art zu überleben", sagt Bustamante.
Viele Guerilleros zögern, der Gewalt abzuschwören
Haben die Guerilleros doch ihre Glaubwürdigkeit aufgrund ihrer Brutalität gegenüber dem Volk und illegaler Geschäfte längst verspielt. Das machten die jüngsten Parlamentswahlen deutlich: Die größte Guerilla-Truppe, FARC, die 2016 mit der Regierung Frieden schloss und die Chance bekam, als politische Partei anzutreten, erhielt fast keine Wählerstimmen. Freilich, so Jorg Bustamante, sei damit ein weiteres Problem verbunden: Viele Guerilleros zögerten, der Gewalt abzuschwören, da sie nicht wüssten, wie sie auf legale Weise überleben könnten:
"Wir arbeiten in den schwierigsten Gegenden, dort wo die Rebellen der FARC aktiv waren. Wir begleiten jene Personen, die ihre Waffen niedergelegt haben und bemühen uns, sie wieder in die Zivil-Gesellschaft einzugliedern. Immerhin garantieren wir als Kirchen eine neutrale Plattform für den Dialog mit den Guerilleros, so auch mit den Kämpfern der ELN, einer von viele kleineren Guerilla-Gruppen, die noch keinen Friedensvertrag unterzeichnet haben. Die Kirchen setzen sich vor Ort dafür ein, dass der Dialog weiter geht.
Letztlich werde man in Kolumbien aber nur dann nachhaltig Frieden schaffen, wenn es gelinge, die sozialen Strukturen grundlegend zu verbessern und damit der Gewalt den Nährboden entziehen, betont Jorge Bustamante. Hier liege die größte Herausforderung für jeden neuen Staatspräsidenten: Es gehe um Ausbildung, medizinische Versorgung und Arbeitsplätze für die Ärmsten - aber auch um eine Landreform:
In Kolumbien sind umfangreiche Ländereien bis heute in den Händen weniger Großgrundbesitzer. Wenn arme Bauern ein Stück eigenen Grund und Boden erhielten, auf dem sie gesichert leben können, wäre das ein entscheidender Schritt, um den Frieden zu fördern.
Bisher fehlte in Kolumbien nicht zuletzt der politische Wille, solche Schritte umzusetzen.