Stierkampf in Medellin. Es ist Wochenende. Die Arena gut gefüllt. Der Zuckerrohrschnaps fließt in Strömen. Danilo Jimenez und seine Band Marco Fidel Suarez sorgen für Stimmung. Bis zu diesem Moment ist es ein guter Tag. Dann verlassen die Musiker die Stierkampfarena.
Plötzlich eine Explosion. Splitter fliegen durch die Luft. Eine Rauchwolke verdunkelt den Himmel. Menschen schreien um Hilfe. Überall liegen zerfetzte und verkohlte Körper. Jimenez blutet aus einer klaffenden Wunde am Kopf. Dann verliert er das Bewusstsein. 25 Menschen sterben - darunter auch drei Musiker. Danilo Jimenez Hirn wird durch die Verletzung schwer geschädigt. Die nächsten Jahre verbringt er in einem Dämmerzustand.
"Ich bin nur ganz langsam ins Leben zurückgekehrt. Das war, als wenn ich aus einem Traum aufwachen würde."
Auch seine Frau wird bei dem Anschlag im Februar 1991 schwer verletzt. 2007 stirbt sie an den Spätfolgen. Der Schuldige ist für Jimenez klar:
"Pablo Escobar! Es waren viele Polizisten vor der Arena. Die wollte er töten. Pablo zahlte Kopfgeld für jeden ermordeten Polizisten. Die anderen Opfer waren ihm egal."
Damals hatte Escobar dem Staat den Krieg erklärt.
"Wir müssen für das absolute Chaos sorgen, für den totalen Bürgerkrieg. Dann werden sie uns um Frieden bitten."
Das Ziel: Ein Auslieferungsverbot. Nichts fürchtete der Boss des Medellin-Kartells mehr als die Überstellung an die Vereinigten Staaten. Escobar lässt Politiker, Richter und Polizisten ermorden, sprengt ein Passagierflugzeug in die Luft, platziert Bomben vor Regierungsgebäuden. Tausende sterben. Der Terror zeigt Wirkung. Der Staat verbietet die Auslieferung. Escobar ist zufrieden.
"Als Reaktion habe ich entschieden, mich der Justiz zu stellen. Nach sieben Jahren der Verfolgung, der Verletzungen und Kämpfe werde ich nun so lange wie notwendig ins Gefängnis gehen, um zur Befriedung meines geliebten kolumbianischen Vaterlandes beizutragen."
Luxuriöses Privatgefängnis
Kolumbien atmet auf. Im Juni 1991 bekommt Escobar ein Privatgefängnis. La Catedral - errichtet nach den Plänen des Drogenbarons. Ausgestattet mit allem erdenklichen Luxus. Bewacht von Escobars Männern. La Catedral wird die neue Schaltzentrale des Medellin-Kartells. Hier werden Besucher empfangen und Gegner ermordet. Bis es der kolumbianischen Regierung zu viel wird. Doch Escobar ist wie immer gut informiert. Im Juli 1992, noch bevor die Behörden ihn verlegen können, flieht der Mafiaboss.
Es ist der Beginn einer beispiellosen Menschenjagd. Beteiligt sind neben der kolumbianischen Polizei auch die US-Anti-Drogenbehörde DEA und die CIA. Gleichzeitig dezimiert eine Todesschwadron verfeindeter Drogenhändler das Medellin-Kartell. Immer weiter wird Escobar in die Enge getrieben.
Ein Anruf bei seiner Familie wird ihm zum Verhängnis. Die Polizei ortet Escobar. Bei der Festnahme in Medellin wird der 44-Jährige erschossen. Es ist der 2. Dezember 1993.
Doch in den allgemeinen Jubel mischt sich auch echte Trauer. Bei Escobars Begräbnis drängen sich Tausende seiner Anhänger um den Sarg, wollen ihrem Helden die letzte Ehre erweisen. Denn: Escobar hatte für die Armen gespendet, Häuser für die Bewohner einer Müllkippe errichtet, vielen Menschen Arbeit gegeben. Auch der Musiker Danilo Jimenez profitierte über viele Jahre von Escobar. Immer wieder spielten er und seine Band bei Veranstaltungen und privaten Partys des Mafiabosses.
"Wenn wir es nicht getan hätten, hätten es andere gemacht. Damals gab es hier viel Geld. Das hat alle angezogen, alle wollten gut leben, von Pablo profitieren. Jeder wusste, was Pablo gemacht hat."
Der Drogenbaron war einer der reichsten Männer der Welt. Die Erlöse aus dem Drogenhandel flossen auch in die legale Wirtschaft.
Etappe der Verdrängung
"Pablo Escobar hatte die ganze Stadt, das ganze Land infiltriert."
Alejandra Echeverri ist Sozialwissenschaftlerin an der Universität Medellin.
"Jeder in Medellin kennt jemanden, der etwas mit dem Drogenhandel zu tun hatte."
Die Verbindungen zwischen der Mafia und weiten Teilen von Wirtschaft und Gesellschaft wurden nie wirklich aufgearbeitet. Nach Escobars Tod begann eine Etappe der Verdrängung. Auf den ersten Blick hat sich Medellin verändert, die Stadt ist sicherer geworden, hat viel Geld in die Infrastruktur gesteckt. Ausländische Unternehmen investieren, der Tourismus boomt. Doch die Kultur der Drogenhändler ist noch immer präsent:
"Die Geschichte wiederholt sich. Pablos kleine Killer sind heute die Bosse der Gangs. Drogenhandel, Korruption, die Logik des Überflusses, des schnellen Geldes - all das gehört immer noch zum Alltag. Und für die junge Generation in den Armenvierteln bleibt Pablo Escobar ein Mythos."
Und Kolumbien? Das Land ist auch 20 Jahre nach dem Tod Escobars der weltgrößte Kokainexporteur. Ein Geschäft, an dem viele verdienen. Der Musiker Danilo Jimenez aber bereut schon lange, dass er sich damals mit einem Drogenbaron wie Pablo Escobar eingelassen hat.
"Er hat uns praktisch das Leben genommen. Aber ich habe ihm verziehen. Ich fühle keinen Hass. Hass macht einen kaputt. Gott hat über ihn gerichtet."