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Kolumbien
Der Tod des Drogenbosses Escobar

Pablo Escobar, Kolumbiens legendärer Drogenboss, wurde im Dezember 1993 nicht von Sicherheitskräften erschossen, sondern hat sich selbst getötet. Das jedenfalls behauptet sein Sohn Juan Pablo Escobar in "Pablo Escobar - In fraganti"(*). Für sein Buch hat er mit einstigen Komplizen und Feinden seines Vaters gesprochen.

Von Victoria Eglau |
    Eine Seite mit Bild des Drogenhändlers Pablo Escobar auf seinem Grabstein.
    Bild des Drogenbosses Pablo Escobar auf seinem Grabstein. (picture-alliance/dpa/Luis Eduardo Noriega)
    "Dieses Buch ist ein Teil meines Bemühens, eine Geschichte zu erzählen, die niemand wiederholen sollte. Ich teile die Erfahrungen meines Lebens als Sohn von Pablo Escobar - und auch die tiefen Wunden, derentwegen ich beschlossen habe, mich nicht in ihn zu verwandeln."
    Schreibt Juan Pablo Escobar im Vorwort von "Pablo Escobar - In fraganti" - seinem neuen Buch über den kolumbianischen Drogenboss. Sechzehn Jahre alt war der Autor, als sein Vater am 2. Dezember 1993 bei einem Feuergefecht starb. Polizei und Paramilitärs hatten ihn in seinem Versteck in der Stadt Medellín aufgespürt. Pablo Escobar war Mitgründer des dortigen mächtigen Kokainkartells und hatte es jahrelang befehligt. Aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen, machte er mit der Herstellung und dem Export der Droge ein Milliarden-vermögen, gab ein kurzes Gastspiel in der Politik und übersäte schließlich Kolumbien mit Morden und Bombenterror.
    "Zum ersten Mal habe ich verstanden, wer mein Vater wirklich war, als er 1984 den damaligen kolumbianischen Justizminister Rodrigo Lara Bonilla umbringen ließ. Von da an machten die Behörden Jagd auf meinen Vater und seine Familie."
    Erinnert sich Juan Pablo Escobar, der Sohn, der beteuert, er habe seinen Vater zu dessen Lebzeiten erfolglos beschworen, von der Gewalt abzulassen. Nach dem Tod des Kokainbarons emigrierten dessen Frau und minderjährige Kinder nach Argentinien, wo sie mit geänderten Namen ein neues Leben anfingen. Der Escobar-Sohn wurde Architekt, mied die Öffentlichkeit.
    Die Aufarbeitung der eigenen Geschichte begann mit einem Film
    Das änderte sich, als vor acht Jahren ein vielbeachteter Dokumentarfilm über ihn gedreht wurde. In dem Streifen "Die Sünden meines Vaters" des Argentiniers Nicolas Entel demonstrierte Juan Pablo Escobar seinen Versöhnungswillen: Er bat die Söhne der Politiker um Verzeihung, die sein Vater hatte umbringen lassen, und traf sich mit ihnen zur Aussprache vor laufender Kamera. 2014 dann, nach dem Film-Erfolg, veröffentlichte der Sohn den Bestseller "Pablo Escobar, Mi Padre."
    "Mein erstes Buch ist eine Chronologie des Lebens von Pablo Escobar, und meines Lebens als sein Sohn. Für mein neues Buch habe ich einstige Komplizen und Feinde meines Vaters getroffen und ihnen die Gelegenheit gegeben, völlig frei über ihn zu reden. Über Pablo Escobar gibt es jede Menge Mythen und Halbwahrheiten. Ich habe mir auferlegt, seine Geschichte mit großer Verantwortung zu erzählen - ohne etwas zu verschweigen."
    In "Pablo Escobar - In fraganti" kommen nicht nur Zeitzeugen zu Wort - der Autor bekräftigt in dem Buch auch eigene Überzeugungen. Etwa, was die umstrittenen Umstände von Escobars Tod angeht:
    "Mein Vater wurde nicht getötet - er hat Selbstmord begangen. Während er sich versteckte, waren wir, seine Familie, Geiseln des kolumbianischen Staates. Mein Vater musste befürchten, dass man uns umbringen würde. Also beschloss er, alle Sicherheitsregeln zu verletzen und mehrfach das Telefon zu benutzen, damit die Sicherheitskräfte seinen Unterschlupf orten würden. Als das geschah, schossen sie ihm ins Knie und in die Schulter - dann tötete er sich selbst. Von ihm stammte der Satz: Besser ein Grab in Kolumbien als eine Auslieferung an die Vereinigten Staaten."
    Pablo Escobar stand mit der CIA direkt in Verbindung
    Um ihre Überstellung an die US-Justiz zu verhindern, führten Pablo Escobar und andere Drogenexporteure Ende der 1980er Jahre einen blutigen Krieg gegen den kolumbianischen Staat, ermordeten Richter, Polizisten, Politiker und Journalisten. Die USA wollten die Kokainhändler vor Gericht stellen - dabei hätte ihr Geheimdienst mit ihnen zeitweise gemeinsame Sache gemacht, schreibt der Escobar-Sohn. Informationen, dass die CIA die Contra-Rebellen in Nicaragua dabei unterstützte, sich durch den Drogenhandel zu finanzieren, sind nicht neu - der Buchautor liefert seine Version:
    "Es gab eine direkte Verbindung zwischen meinem Vater und der CIA, die den Kampf gegen den Kommunismus in Mittelamerika durch den Verkauf von Kokain finanzierte. Mein Vater ließ drei Jahre lang rund 800 Kilo Kokain pro Woche auf Direktflügen von Medellín nach Miami schmuggeln. Airlines, Einwanderungs- und Zollbeamte - sie alle waren Komplizen. Das zeigt, dass mein Vater sein Vermögen mit Hilfe der internationalen Korruption gemacht hat. Und dass jene, die angeblich gegen den Drogenhandel kämpfen, die größten Profiteure sind."
    Sohn des Drogenbarons für Rauschgift-Legalisierung
    In seinem Buch spricht sich der Escobar-Sohn deshalb dafür aus, Rauschgift zu legalisieren und den Handel staatlich zu regulieren. "Nur so kann der illegale Drogenhandel, der für einen großen Teil der Gewalt auf dem Planeten verantwortlich ist, seine Rentabilität verlieren."
    Juan Pablo Escobar ist in diesen Wochen ein gefragter Mann, die lateinamerikanischen Medien reißen sich um Interviews mit ihm. Zweifellos befriedigt er mit seinen Büchern die große Neugier auf Details aus dem Leben des skrupellosen Verbrechers, die sich auch in dem Erfolg von Serien wie der Netflix-Produktion "Narcos" zeigt. Serien, die Escobar Junior kritisiert: Sie enthielten eine Menge Fehler und verklärten die kriminelle Karriere seines Vaters. "Pablo Escobar - In fraganti" ist lesenswert, weil kaum jemand den Drogenboss so gut kannte wie sein Sohn. Doch sollte man bei der Lektüre im Hinterkopf behalten, dass auch dieses Buch wohl nur eine Annäherung an die ganze Wahrheit darstellt.

    (*) Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Version wurde ein falscher Buchtitel ("Pablo Escobar - In flagranti") verwendet. Dieser wurde durch den richtigen Titel ("Pablo Escobar - In fraganti") im Online-Text und im Audio ersetzt.
    Juan Pablo Escobar: "Pablo Escobar - In fraganti"
    Verlag Planeta, 264 Seiten, 10,99 Euro.