Jahrelang hat Jacinto im Dschungel von Narino mit der Waffe für ein sozialeres und gerechteres Kolumbien gekämpft. Jetzt lebt er in einem Lager im Estrecho in la Patia - etwa drei Autostunden südlich von Popayan und ist skeptisch, ob es mit dem Friedensprozess weitergeht.
Seine bisherigen Erfahrungen sind nicht gerade ermutigend. Hier in Patia hat die Regierung viele ihrer Versprechen nicht eingelöst.
Auf einem Hügel stehen ein paar von den FARC notdürftig zusammengenagelte Hütten um ein altes verfallenes Häuschen. Die Wände bestehen aus grünen Planen, die Dächer aus schwarzen.
Kein fließendes Wasser, kein Strom
"Diese Planen sind biologisch abbaubar - nach sechs Monaten fangen die an sich zu zersetzen. Stellen Sie sich Mal vor, was im August passiert. Die Toilette ist in sehr schlechtem Zustand", klagt Vicky, die Köchin der Truppe ihr Leid. Kochen muss sie in der brütenden Hitze mit Wasser aus Plastiktüten. Es gibt nur eine einzige Toilette. Aus einem Rohr in der Wand fließt hin- und wieder gesammeltes Regenwasser zum Duschen.
"Hier gibt es kein fließendes Wasser, keinen Strom, kein Internet, kein Abwassersystem: Das ist das schlechteste Lager überhaupt: Hier wurde nichts gebaut", kritisiert Jacinto die Untätigkeit der Regierung.
200 Euro für jeden entwaffneten Guerillero
Hier in der Region Cauca hat die Regierung für 92 FARC-Kämpferinnen und Kämpfer und ihre Kinder erst vor gut einem halben Jahr zehn Hektar Land angemietet. Die Truppe von Kommandant Cristian hatte sich gemäß dem Friedensabkommen zunächst viel weiter im Süden in der Region Narino konzentriert. Dorthin gelangte aber so gut wie keine Regierungshilfe.
Nach Patia kommen immerhin einige Lebensmittel- und Wasserlieferungen, auch das Material für den Bau der primitiven Hütten hatte die Regierung gestellt. Jeder entwaffnete und demobilisierte Guerillero erhält noch bis Ende des Jahres 90 Prozent des gesetzlichen Mindestlohnes - umgerechnet rund 200 Euro.
Küken und Kochbananen statt Krieg
"Wir wollen eine Hühnerzucht aufziehen. Dazu brauchen wir Infrastruktur. Wir bekommen etwas Geld vom UN-Entwicklungsprogramm, aber das reicht nicht. Das Projekt ist jedoch immens wichtig, damit wir selbst für uns sorgen können", sagt der Mittdreißiger Cristian. Er ist der Chef des Lagers und extrem von der Regierung enttäuscht. Seit Monaten versucht er hier mit seinen früheren Guerillakamaraden, eine Landwirtschaftskooperative aufzubauen. 1.500 Küken haben sie schon und sie haben Kochbananen gepflanzt in sogenannten Mingas - Gemeinschaftsarbeiten, bei denen alle anpacken. Aber das ist erst ein ganz bescheidener Anfang.
Ohne Strom, Wasser und sanitäre Anlagen haben die meisten der Gruppe sich anderswo eine Bleibe gesucht, auch weil sie sich hier im Lager nicht sicher fühlen. Leon Moreno ist einer von ihnen. "Hier gegenüber, keine 200 Meter von hier sind vor sechs Wochen zwei Menschen ermordet worden", sagt er.
Auch drei Ex-Guerillakameraden wurden unlängst in der Gegend umgebracht. Dabei sollten Polizei und Militär für die Sicherheit der Guerilla sorgen. "Wir sind leichte Beute, der einzige wirkliche Schutzmechanismus sind unsere Leibwächter, aber das ist zu wenig", sagt Jacinto. Sechs von der Regierung ausgebildete Ex-Guerilleras und Guerilleros mit jeweils einer Handfeuerwaffe sollen die annähernd 100 Personen eines ganzen Lagers schützen, erläutert er weiter.
Maikol - ein sehr sportlicher Schwarzer ist einer der Bodyguards. Er ist 23 Jahre jung, und seit zehn Jahren bei den FARC. Vier seiner sieben Geschwister waren ebenfalls bei den FARC – zwei sind im Kampf gestorben. Als in Havanna verhandelt wurde, hat Maikol einen Rap komponiert: "Sie töten uns, weil wir anders denken."
"In die Drogengebiete, um abzukassieren"
Maikol und seine Kameraden träumen weiter von einem gerechteren Kolumbien, aber: "Ich ziehe nicht mehr in den Krieg", sagt Marcus, "weil die FARC, wie sie früher existierte mit ihren Ideologen, gibt es nicht mehr. Die Dissidenten haben nicht die gleichen Prinzipien. Die jetzt wieder Krieg wollen, gehen in die Drogengebiete, um abzukassieren".
Gehört Marcus zur Mehrheit? Zehn, andere sagen fast 30 Prozent der insgesamt demobilisierten 14.000 einstigen FARC-Kämpfer und Milizen gelten als Dissidenten, sind wieder im Dschungel aktiv. Mit einem Präsidenten Duque könnten es schnell mehr werden - will er doch Änderungen an der vereinbarten Sondergerichtsbarkeit und FARC-Führern, die ihre Strafen nicht verbüßt haben, das Recht auf einen Sitz im Kongress absprechen.
Versöhnliches vom Präsidenten
"Heute sind wir alle Freunde des Friedens, vor allem eines Friedens, der der Basis der Guerilla ermöglicht, demobilisiert und entwaffnet zu bleiben und sich effektiv in die Gesellschaft einzugliedern, eines Friedens, der Investitionen in den Bürgerkriegsgebieten und nachhaltige Landwirtschaftsprojekte ermöglicht", stimmte Kolumbiens künftiger Präsident nach der Wahl allerdings auch versöhnliche Töne an.
"Wir müssen achtsam bleiben, denn hinter dem Präsidenten gibt es Kräfte, die den Krieg verteidigen. Das besorgt uns", mahnte indes FARC-Führer Timoschenko. Hinter Duque steht nämlich Alvaro Uribe, unter dessen Präsidentschaft eine unheilige Allianz von Sicherheitskräften des Staates und Todesschwadronen die Guerilla und linke Aktivisten systematisch jagte. Timoschenko lud den künftigen Präsidenten aber zum Gespräch.
Das lässt hoffen. Denn trotz aller Differenzen kann niemand eine Rückkehr zum bewaffneten Konflikt in Kolumbien wollen: weder die FARC noch die künftige Regierung.