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Kolumbien
Einfach nur überleben

Der 23. März sollte in Kolumbien ein Tag der Freude werden - doch wieder scheiterten die Verhandlungen zwischen der Regierung und der größten Rebellengruppe, der FARC. Der lang ersehnte Friedensvertrag wurde nicht unterzeichnet. Für die vielen Vertriebenen im Land schwindet damit erneut die Hoffnung, bald in ihre Heimatdörfer zurückzukehren.

Von Eva Beyer und Ralph Weihermann | 30.04.2016
    Ein Junge in Kolumbien füllt Wasser aus einem Tank in ein Plastikgefäß.
    Für die große Mehrheit der Vertriebenen in Kolumbien ist das Stichwort Rückkehr eine Illusion. (picture alliance / EPA / Stringer)
    "Ich möchte nicht zurück, weil dort zu viele traurige Dinge passiert sind."
    "Rückkehr? Nein!"
    "Dorthin zurückkehren? Nein, nein, das glaube ich nicht. Diese Möglichkeit gibt es nicht."
    "Auch mit dem Abschluss des Friedensvertrages gibt es keine komplette Sicherheit – diejenigen, die den Frieden schließen, sind die "Big Bosse", das hat mit der Realität hier vor Ort nichts zu tun."
    Illusion vom Frieden
    Dies ist eine Geschichte ohne Namen- aber mit vielen Gesichtern. Traurige und verzweifelte, hoffnungsvolle und verunsicherte Gesichter.
    La Ilusion, so heißt die kleine Ansiedlung am Rande der Stadt Florencia im Südwesten von Kolumbien.
    Der Name könnte zynisch klingen- ist aber für viele Menschen hier einfach nur die traurige Wahrheit- er steht für die ‚Ilusion vom Frieden‘.
    Die ärmlichen Hütten haben Wellblechdächer- obwohl offensichtlich Armut herrscht, ist jedes Grundstück notdürftig mit Stacheldraht gesichert.
    Kolumbien ist ein Land voller Angst und Gewalt, in dieser Siedlung wird das ganz besonders deutlich.
    Kein Geld für frische Lebensmittel
    In einer kleinen Garküche liegen Arepas in der Pfanne- die runden Maisfladen sind kolumbianische Nationalspeise- und kosten nicht viel. Geld für frische Lebensmittel haben die Menschen nicht. Ihnen fehlt die Lebensgrundlage.
    "Neunzig Prozent der Leute, die hier leben sind Vertriebene, wir sind alle Opfer der Gewalt, die Leute kommen aus allen Regionen des Landes."
    250.000 Menschen sind in den letzten Jahrzehnten ums Leben gekommen, weil sich Regierung , FARC und andere bewaffnete Gruppen bekämpfen. Gut 6 Millionen Menschen haben zwar nicht ihr Leben, aber ihre Heimat verloren – und damit oftmals Arbeit und Einkommen.
    "Ich komme aus Putumayo, ich hatte eine Farm mit Tieren.... seitdem ich hier bin ist das Leben sehr, sehr hart."
    Große Angst vor Entführungen
    Die Gründe für die Flucht sind ganz unterschiedlich. Viele wurden von bewaffneten Kämpfern von ihren Grundstücken verjagt, andere hatten Angst davor, dass ihre Kinder von paramilitärischen Gruppen entführt werden. So wie eine junge Mutter, die in einem provisorischen Zelt mit ihren drei Kindern lebt.
    "Eines Tages kamen bewaffnete Männer und haben gesagt, dass sie meine Jungs morgens um neun abholen werden. Wir sind dann mitten in der Nacht aufgebrochen. Wir hatten nur das dabei, was wir am Leib trugen- und mehr haben wir heute auch nicht."
    So hart der Neustart war, eine mögliche Rückkehr in die alte Heimat löst bei der jungen Frau keine Hoffnung aus, sondern neue Ängste.
    "Zurückkehren? Oh Nein, nein um nichts auf der Welt möchte ich dorthin zurück. Sie sagen es gibt Frieden, aber der Konflikt geht immer weiter."
    Dabei ist das Zusammenleben der Flüchtlinge mit der angestammten Bevölkerung nicht leicht. Wohnraum und Arbeit werden knapp, Vorurteile und Ausgrenzung gehören auch hier zum Alltag. Die Neuankömmlinge fühlen sich nicht gleichwertig behandelt, bekommen nach eigener Aussage kaum Unterstützung.
    Kein Vertrauen in Friedensabkommen mit der FARC
    "Was sie uns Vertriebenen geben ist sehr wenig, die Hilfe ist sehr gering – angeblich bekommt man drei Mal im Jahr ein Hilfspaket, aber wir bekommen nicht ein einziges - nicht für das Haus, für gar nichts. Nein, ich fühle mich nicht sicher, auch nicht wenn es zu einem Friedensvertrag kommt."
    La Illusion ist kein Einzelfall, auch anderswo in Kolumbien bezweifeln Menschen, dass ein Abkommen mit der FARC den Frieden bringen würde. In der Gemeinde Tumaco an der Pazifikküste sind offiziell 140.000 Opfer des Bürgerkrieges registriert. Äußerlich scheint die Situation ruhig zu sein. Rauchende Soldaten lehnen lässig an den Palmen am Strand. Dass die Gewalt auch hier nicht vorbei ist, erzählt Anne Castillo Vivas, die Ombudsfrau für Menschenrechte in Tumaco. Für eine staatliche Angestellte klingt ihre Sicht auf den erhofften Friedensvertrag erstaunlich selbstkritisch.
    "Wir haben es noch nicht geschafft, die Ursachen des Konfliktes zu beheben. Wenn wir diese Probleme nicht lösen wird auch der Konflikt weiter andauern."
    Keine beruhigende Nachricht für die Menschen in der Region. In Albana, einem kleinen Ort am Stadtrand von Tumaco, stehen verlassene Häuser wie eine stumme Anklage an der Straße.
    Für die große Mehrheit der Vertriebenen in Kolumbien ist das Stichwort Rückkehr eine Illusion. Sie wollen einfach nur überleben.
    "Ich hoffe sehr dass die Vertreibung aufhört und dieser absurde Krieg."