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Kolumbien
FARC wollen sich für Bojayá-Massaker entschuldigen

Im kolubianischen Dorf Bojayá kam es vor 13 Jahren zu einem grausamen Massaker. Während der Kämpfe zwischen der linksgerichteten FARC-Guerilla und Paramilitärs hatten 300 Dorfbewohner Schutz in einer Kirche gesucht – dann flog eine Bombe durch das Dach. Nun wollen die FARC Reue zeigen. Ist sie echt?

Von Julio Segador |
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    Marienstatue in der zerstörten Kirche im Dorf Bojaya. Vor 13 Jahren kamen hier 79 Menschen durch eine Bombe zu Tode. (picture alliance / dpa / Luis Acosta)
    Mit dem Schnellboot durch den Dschungel. Die Fahrt führt nach Quibdó, der Hauptstadt der Provinz Chocó im Nord-Westen Kolumbiens. Diese Region zählt zu den ärmsten Gebieten des Landes. Und bis heute bekämpfen sich hier linksgerichtete Rebellen, Paramilitärs und die kolumbianische Armee. Im Chocó – in dem Dorf Bojayá - kam es vor 13 Jahren zu einem grausamen Massaker. Die Einwohner von Bojayá gerieten bei Kämpfen zwischen der linksgerichteten FARC-Guerilla und Paramilitärs zwischen die Fronten. 300 von ihnen hatten sich schutzsuchend in der Kirche verschanzt. Dann flog eine Bombe durch das Dach in das Gotteshaus. Leynar Palacio ist einer der Dorfbewohner, die damals in der Kirche waren.
    "Etwa 5 Minuten nachdem wir in die Kirche gegangen waren explodierte eine Bombe. Danach gab es dort nur noch Chaos. Alle liefen zum Teil schwer verletzt durch die Gegend. Ich flüchtete mit meiner Tochter zum Fluss, wo ich vor den Kugeln Schutz suchte. Fast hätte ich dabei meine eigene Tochter ertränkt."
    79 Tote, darunter 50 Kinder
    Die linksgerichteten Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens, kurz FARC, hatten die Bombe gezündet und auf Paramilitär-Einheiten gefeuert. Doch der Sprengsatz flog in die Kirche. 79 Menschen starben, darunter fast 50 Kinder. Das Massaker von Bojayá gilt als das grausamste Verbrechen seit Beginn des Bürgerkrieges in Kolumbien vor über 50 Jahren. Nun soll es als Fanal für den Frieden dienen. Die FARC-Guerrilla, die für das schreckliche Verbrechen verantwortlich ist, will sich am Ort des Geschehens in Bojayá öffentlich entschuldigen und sich ihrer Verantwortung stellen. Aus Havanna wird die FARC Spitze erwartet. Leynar Palacio, der zusammen mit seiner Tochter die Explosion in der Kirche nur knapp überlebte, organisiert den Akt, der nur im kleinen Kreis – fast ohne Medienpräsenz - stattfinden soll. Leynar Palacio findet diesen Schritt richtig und notwendig.
    "Wir sehen das sehr positiv. Ein Opfer muss immer die Möglichkeit bekommen, die Wahrheit zu hören. Das ist der Beginn eines gesunden Prozesses. Der Beginn von Reparation, vielleicht auch Versöhnung. Wir sehen es also positiv und erwarten, dass sie auch die notwendige Reue zeigen. Wir werden aber ihr Schuldeingeständnis nicht akzeptieren, wenn weiter Verbrechen verübt werden. Die FARC müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und ihr Verhalten uns gegenüber verändern."
    Angehörige der Opfer nehmen auch den Staat in die Pflicht
    Doch ist Versöhnung möglich? Nach einem so grausamen Verbrechen? Nach über 50 Jahren blutigen Bürgerkriegs? Nach mehr als 220.000 Toten und über 7 Millionen Opfern? Bis Ende März will Präsident Juan Manuel Santos den Friedensvertrag mit den FARC-Rebellen unterzeichnen, der derzeit auf Kuba ausgehandelt wird. Die öffentliche Entschuldigung der Guerilla soll einer möglichen Versöhnung den Weg ebnen.
    In Bojayá nehmen die Angehörigen der Opfer des Massakers aber nicht nur die FARC-Rebellen in die Pflicht – auch den Staat. Die Gegend ist bettelarm, die Infrastruktur in jeglicher Hinsicht marode, die Verwaltung allenfalls rudimentär präsent. Auch das müsse angepackt werden, mahnt Leynar Palacio.
    "13 Jahre nach dem Massaker hat Bojayá keinen Arzt, der dauerhaft im Ort ist. Das Bildungssystem liegt am Boden. Viele Schulen haben nicht einmal Lehrer. Zu dem Problem des bewaffneten Konfliktes kommt also noch das Problem der Vernachlässigung und Benachteiligung der Region. Und wenn das nicht gelöst wird, dann kann der Friedensvertrag mit den FARC noch so gut sein, - der Krieg wird weitergehen. Denn die Unzufriedenheit über die mangelnden Rechte des Volkes wird überwiegen."