"Die Mentalität der Kolumbianer galt immer als brutal, unzivilisiert, gewalttätig.
Die Entwaffnung kann uns vielleicht zeigen, dass wir Kolumbianer uns ändern können, indem wir miteinander reden. ‚Fragmentos‘ ist ein konkretes und reales Beispiel dafür, dass dies möglich ist."
Die Entwaffnung kann uns vielleicht zeigen, dass wir Kolumbianer uns ändern können, indem wir miteinander reden. ‚Fragmentos‘ ist ein konkretes und reales Beispiel dafür, dass dies möglich ist."
Waffen legal bei US-Firmen gekauft
Das Denkmal Fragmentos – auf Deutsch Fragmente oder Bruchstücke – soll verhindern, dass der Friedensprozess zu Bruch geht. Für Doris Salcedo ist Fragmentos ein Werk der Erinnerung. 69 Tonnen Waffen und Munition haben die 13.500 FARC Kämpfer und Milizen im Rahmen des Friedensprozesses insgesamt an die UN übergeben. Die reinen Waffen, 8.000 Stück - zirka 37 Tonnen schwer, ließ die kolumbianische Künstlerin einschmelzen, nicht ohne dabei interessante Beobachtungen zu machen.
"5.000 Waffen stammten aus den USA und trugen fortlaufende Seriennummern. Das war für mich wirklich überraschend, weil ich dachte, die FARC würden ihre Waffen auf dem Schwarzmarkt kaufen, und das war der Beweis, dass sie direkt in der Fabrik kaufen konnten."
Das Metall dieser und der anderen Gewehre aus ehemaligem FARC-Besitz ließ Doris Salcedo zu Bodenplatten gießen. Bearbeitet wurden diese von zwanzig Frauen, die während der Jahre des Konfliktes Opfer sexueller Gewalt nicht nur der Guerilla, sondern auch durch offizielle Sicherheitskräfte und Paramilitärs geworden waren.
Wandlung vom Krieg zum Frieden
"Ich wollte zeigen, dass sexuelle Gewalt ein politisches Vergehen ist und deshalb im Zentrum dieses Gegendenkmals stehen sollte. Deswegen wollte ich, dass diese Frauen das Metall schmiedeten. So bleibt ihre Erfahrung als Zeugnis vom Krieg und diese Frauen vollziehen gleichzeitig die Wandlung vom Krieg zum Frieden."
Sagt Doris Salcedo.
"Das Schlimmste, was in einem Krieg passieren kann, ist Frauen als Objekte für den Triumph zu benutzen - so als wolle man den Gegner durch die Frauen verletzen. Als wären wir Frauen Kriegstrophäen – wir sind doch keine Trophäen!"
Hämmern, um das Trauma zu bewältigen
Ihre Wut darüber konnten Opfer wie Camila Cienfuegos stundenlang an den Metallplatten auslassen. 1296 Stück –je 60 auf 60 Zentimeter liegen jetzt auf dem Boden eines großen leeren Raumes.
Dieser nüchterne weiße Saal mit einer großen Glasfront zum in der Mitte gelegenen Garten ist das Kernstück des Denkmals, das Doris Salcedo im hinteren Teil der Ruine einer alten Villa im Herzen Bogotás errichten ließ – wobei die Ruine selbst zur Metapher wird: Krieg bringt nur Vernichtung und Ruinen.
"Wir stehen jetzt über den Waffen und die Waffen nicht mehr über uns."
Resümiert Angela Escobar, ein weiteres Opfer sexueller Gewalt, das Resultat ihrer Arbeit. Für die FARC war der Gedanke schwer zu ertragen, dass die Instrumente ihres Kampfes jetzt buchstäblich mit den Füssen getreten werden.
"Ihre Waffen erlauben uns Kolumbianern, uns in einer neuen Realität zu bewegen, einer Realität, die Frieden für die Zukunft verspricht."
Argumentiert indes Künstlerin Doris Salcedo.
Friedensprozess ist gefährdet
Auch die Tatsache, dass Opfer sexueller Gewalt ihre Waffen bearbeiten durften, traf auf Missfallen bei vielen Guerilleros und Guerilleras. Im Krieg gab es viele Formen der Gewalt und die FARC waren doch nicht die einzigen, die vergewaltigt und Frauen missbraucht haben: Diesen Einwand wollten Vertreter der FARC jedoch nicht ins Mikrofon äußern. Er zeigt indes, welch ein sensibles Pflänzchen der Friedensprozess noch ist. Symbolträchtig wurden im Garten Bäume aus dem botanischen Garten Bogotas gepflanzt– der größte – eine Zeder - wirkt wie abgestorben. Ein Omen für den Friedensprozess, der nach der Entwaffnung der FARC ins Stocken geraten ist.
Noch die Regierung von Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos hat viele der Versprechen zur Integration der Ex Guerilleros nicht oder nur zögerlich eingelöst. Präsident Ivan Duque stellt jetzt auch noch die Sonderjustiz in Frage. Künstlerin Doris Salcedo ist frustriert über die aktuelle Entwicklung, will aber trotz allem die Hoffnung nicht verlieren.
"Ich glaube, wir Kolumbianer können uns immer daran erinnern, dass wir es geschafft haben auf dem Verhandlungsweg enorme und mächtige Streitkräfte zu entwaffnen. Diese Lektion dürfen wir nie vergessen. Fragmentos wird immer da sein, um uns daran zu erinnern, dass dies eine Option ist."
Eine weitere Lektion lautet: Diejenigen, die am meisten gelitten haben, scheinen am ehesten zur Versöhnung bereit.
Kultur des Erinnerns
"Wenn man die Waffen schmelzen kann, so kann man doch auch den Hass schmelzen."
Zumindest bei den 500 täglichen Besuchern der Ausstellung scheint die Botschaft anzukommen.
"Es ist beeindruckend wie Doris Salcedo als Künstlerin und Journalistin eine Kultur des Erinnerns aufgrund von fürchterlichen Ereignissen kreiert."