Als Medienkritiker muss man kritisch sein, aber in diesem Fall:
"Ersetzen Sie kritisch durch ein beliebiges Wort der fürchterlicheren Kategorie."
Also durch Obsession oder besser noch: Konträrfaszination, um das zu beschreiben, was der ZDF-Sportkommentator Oliver Schmidt in mir auslöst. Ich habe schon zweimal etwas zu Oliver Schmidt geschrieben und überlegt, ob das komisch kommt, wenn ich es nun wieder tue. Aber es ist eben wie eine Sucht. Und es ist, könnte man vermuten, durchaus in Schmidts Sinne.
Denn seine größte Stärke ist nicht unbedingt die Flexibilität. Oliver Schmidt legt Spieler, Mannschaften gern auf etwas fest:
"Die Laufmaschinen, die Konterelf Russlands, gegen die Ballbesitzjunkies aus Spanien."
"Die Pass und Ballbesitzmonster aus Spanien und die Lauf- und Konter-Russen."
"Die Pass und Ballbesitzmonster aus Spanien und die Lauf- und Konter-Russen."
Um am Ende nicht unangenehm überrascht zu werden, dass das Spiel anders war als vorher gedacht:
"In dem beide zumindest unseren Erwartungen gerecht worden sind, zumindest was die Ausrichtung angegangen ist."
"In dem beide zumindest unseren Erwartungen gerecht worden sind, zumindest was die Ausrichtung angegangen ist."
Hauptsache nichts Falsches sagen
Dabei ist Oliver Schmidt kein Rechthaber. Das macht ihn ja so interessant. Er will einfach nur nichts Falsches sagen. Deswegen misst er in kleinen Einheiten:
"Ein positionsgetreuer Wechsel, eine Nuance mehr Offensivdrang."
"Ein Hauch von Island."
"Eine Prise mehr Dynamik, eine Prise mehr Passschärfe."
"Das Fragezeichen ist noch ein kleines."
"Ein Hauch von Island."
"Eine Prise mehr Dynamik, eine Prise mehr Passschärfe."
"Das Fragezeichen ist noch ein kleines."
Und deswegen rettet er sich in Phrasen und Slogans - also Wortgruppen, die schon oft und von anderen gebraucht worden sind:
"Die Angst der Trainers und Torhüters vor dem Strafstoß."
"Freunde, nicht fürs Leben."
"Nichts ist unmöglich, zumindest mit Blick aufs Viertelfinale."
"Solange sie die Beine tragen."
"Der Regen kommt, vom Regen in die Traufe."
"Freunde, nicht fürs Leben."
"Nichts ist unmöglich, zumindest mit Blick aufs Viertelfinale."
"Solange sie die Beine tragen."
"Der Regen kommt, vom Regen in die Traufe."
Schiefe Bilder und Nullaussagen
Ob die Sätze nun Sinn ergeben oder nicht. Sie klingen halt gut oder zumindest nach irgendwas. Und sie wirken dadurch stabiler als Schmidts eigene Versuche, mit Sprache zu spielen. Dabei kommen häufig schiefe Bilder raus:
"Ein hölzerner Hemmschuh."
"Spanier bleiben ihrer Flachpass-DNA sehr, sehr treu."
"Eine Etage kleiner, eine Etage schneller."
"Spanier bleiben ihrer Flachpass-DNA sehr, sehr treu."
"Eine Etage kleiner, eine Etage schneller."
Schmidts Angst vor der fehlerhaften Äußerung produziert zahllose Tautologien, Nullaussagen, in denen grundsätzlich alles möglich ist:
"Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch Andres Iniesta sich von dieser WM heute verabschieden muss, aber es kann auch sein, dass es weitergeht für ihn und Spanien."
"Das erst europäische Duell, nicht das letzte."
"Noch 15 Minuten bis zum Happy End für Russland oder Spanien oder bis zum Elfmeterschießen."
"Er steht so oder so für die Zukunft des spanischen Fußballs."
"Das erst europäische Duell, nicht das letzte."
"Noch 15 Minuten bis zum Happy End für Russland oder Spanien oder bis zum Elfmeterschießen."
"Er steht so oder so für die Zukunft des spanischen Fußballs."
Mehr Buchhalter als Erzähler
Schmidt ist kein Erzähler, der einen mitnimmt, begeistert, für etwas interessiert, er ist kein Analytiker, der das Spiel besonders gut erklären kann, sondern ein Buchhalter, der sich hinterher nicht vorwerfen lassen will, dass etwas nicht korrekt gewesen ist. Inhaltlich. Und offiziell:
"... und jetzt noch mal. Offiziell noch Barcelona, nee offiziell schon auch nicht mehr, heute ist ja der 1. Juli, offiziell schon Kobe, Japan."
Für das fristgerechte Einreichen des Urlaubsantrags ist solche Genauigkeit zweifellos hilfreich. Aber vor dem Mikrofon, als Kommentator, als Erstbeurteiler? Sollte man sich da nicht mehr Souveränität ausstrahlen?
"Der hat wohl entschieden, wenn ich richtig verstanden habe, aber warten wir's ab."
Schmidt als Symbolfigur unserer Zeit
Und Urteilen heißt ja nicht wild rumbehaupten, sondern seine Aussagen zu begründen durch genaue, kluge Beobachtung. Und dem Ereignishaften am Fußballspiel mehr Aufmerksamkeit zu schenken, denn Fußball ist nun mal ein Sport, in dem anders als beim Basketball oder Tennis das Unwahrscheinliche zählt. Aber Schmidt guckt nach hinten:
"Das waren zwei frühe Tore in den beiden Achtelfinals, was wird’s hier werden?"
Und nach vorne:
"War das der große Moment der zweiten Hälfte der Verlängerung?"
Während das, was gerade passiert, eben passiert.
"Und es ist auch eine Frage des Mutes."
Ist es das? Oliver Schmidt ist auf jeden Fall eine Symbolfigur unserer Zeit: Ein Agent des Konformismus, aus dem alles Individuelle verschwunden ist, weil man besten damit fährt, wenn nichts falsch macht. Dabei, sollte man meinen, ist der Platz am Mikrofon bei einer Fußball-WM so ein einzigartiger, privilegierter Ort, etwas Besonderes. Oliver Schmidt wird vermutlich auch beim nächsten großen Turnier dort sitzen. Dann wird es heißen:
"Und danach hat er in den Verwaltungsmodus geschaltet."