Die Recherchen zum Potsdamer "Geheimplan" von AfD-Politikern und anderen rechten Demokratiefeinden wurden vom vergleichsweise kleinen Journalismuskollektiv Correctiv gemacht. Im Grunde hat Correctiv eigentlich geläufiges Wissen über die Ziele der AfD nur so gut aufbereitet, dass einem Großteil der Bevölkerung klar geworden ist, wie groß die Gefahr für das gesellschaftliche Miteinander durch die in großen Teilen rechtsextreme Partei und ihre Netzwerke in Deutschland ist.
Medial betrachtet ist das vielleicht kein Zufall. Denn die großen Medien haben sich im Umgang mit der AfD seit Beginn schwergetan. Zwar gab es auch da immer wieder informative Hintergrundberichte und wichtige Enthüllungen, aber eben auch eine diffuse Offenheit gegenüber der AfD. Die war auch von der Faszination getrieben, die von Neonazis und Rechtsextremen ausgeht - vor allem wenn sie nicht dem medialen Zerrbild vom Skinhead mit Springerstiefeln entsprechen.
So hat der "Spiegel" zuletzt einen Essay veröffentlicht, in dem die bahnbrechende Erkenntnis verkündet wurde, dass rechtsextreme Ideologien durch Begriffe, durch die Sprache Eingang in den gesellschaftlichen Diskurs finden.
Aufregende Home-Story statt nüchterner Analyse
Leider wurde in dem Essay nicht darüber nachgedacht, wie der "Spiegel" selbst diesen Begriffen, dieser Sprache eine Bühne bereitet hat – zum Beispiel durch einen weihevollen Hausbesuch beim rechtsextremen Vordenker vor mehr als sieben Jahren. Da trat an die Stelle einer nüchternen Analyse von Texten eine irgendwie aufregende Home-Story – bei Neonazis zu Hause gibt es Bücher! Und die machen ihren Ziegenkäse selbst!
Es ließen sich zahllose weitere Beispiele aus großen Medien finden – Magazin-Cover, die mit dem Grusel vor den Rechten spielen und diese zugleich normalisieren. Talkshows, die gern mit der Aufregung kalkulieren, die AfD-Leute bei ihren Auftritten verbreiten, weil das Quote verspricht und damit die weitere Beauftragung der Produktionsfirma durch die Öffentlich-Rechtlichen.
Interviews, in denen AfD-Politiker politisch gestellt oder entzaubert werden sollten, auch wenn die sich auf kein vernünftiges Gespräch einlassen, sondern einfach ihre Schlagworte wieder und wieder ins Mikrofon kloppen – das würde in Beiträgen, die Auskünfte von der Partei einordnen und kontextualisieren, nicht passieren.
Jetzt aus Fehlern der Vergangenheit lernen
"Mit Rechten reden" hieß ein Buch von 2017. Das war zwar gar nicht, was es vorzugeben schien, sondern ziemlich unverständlich und albern, aber der Slogan prägte den medialen Geist dieser Zeit. Und prägt bis heute. Wohin dieses Verständnis, diese Normalisierung dann geführt hat – dafür hat sich nie wieder jemand interessiert, dafür war dann niemand verantwortlich.
Selbstkritik ist nicht die größte Stärke von Medien. Sie wäre aber angebracht, um aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen – aus der unreflektierten Angstlust im Umgang mit einer demokratiegefährdenden Partei bis heute. Insofern betrifft der Weckruf, der von der Correctiv-Recherche ausgeht, auch den Journalismus.