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Kometenlandung
Landet Philae auf fester Kruste?

In der kommenden Woche soll die europäische Kometensonde Rosetta einen Lander namens Philae auf den Kometen Tschurjumow-Gerasimenko absetzen. Ob die Landung gelingt ist ungewiss. Zumal Wissenschaftlern bis heute unklar ist, wie die Oberfläche eines Kometen überhaupt beschaffen ist.

Von Karl Urban | 07.11.2014
    "Well, this is a very very emotional moment. From the imagery I can confirm: We arrived."
    Holger Sierks ist am 8. August emotional berührt. Er ist der Leiter des Kamerateams an Bord der ESA-Raumsonde Rosetta, die nach zehn Jahren im All ihr Ziel erreicht hat. Über ein Jahr lang soll sie den Kometen Tschurjumow-Gerasimenko untersuchen. Hunderte Planetologen weltweit erforschen diesen Kometen derzeit auf Hochtouren – auch weil ein Landeversuch bevorsteht – mit dem kleinen Lander Philae. Geplant ist der Abstieg seit Jahrzehnten.
    "Eine der großen Fragen damals war: Wie sieht so ein Komet eigentlich aus? Woraus besteht der? Allein aus dem Erscheinungsbild wusste man, dass wahrscheinlich Eis verschiedener Zusammensetzung in dem Kometenkern drin ist - und Staub."
    Eberhard Grün versuchte während seiner gesamten wissenschaftlichen Laufbahn mehr über die Kometen herauszufinden. Er trieb die Mission Rosetta voran – heute ist der Professor vom Heidelberger MPI für Kernphysik im Ruhestand – und erwartet die Ergebnisse.
    "Der kann natürlich eine Konsistenz haben von festem Eis wie beim gefrorenen Neckar oder wie ein Pulverschnee, also ganz locker."
    Anfang der 1990er Jahre wollte Eberhard Grün genau das herausfinden – wie ist ein Komet beschaffen? Niemand verstand so richtig, was auf den Himmelskörpern vorgeht: Bilder zeigen eine Oberfläche aus pechschwarzem Staub. Daraus schießen Gasfontänen hervor, die dagegen aus Wasserdampf bestehen. – Es muss irgendwo im Kometen also viel helleres Eis geben. Eberhard Grün ließ deshalb einen Kometen nachbauen: in einer Sonnensimulationskammer in Köln, die eigentlich für Raumsonden gedacht war.
    Schmutz im Reinraum
    "Dann kam es dazu, dass man in diese Kammer – was eigentlich ganz unüblich ist – Wassereis und Staub reinbrachte."
    Wohlgemerkt: Die Forscher brachten Schmutz in einen Reinraum.
    "Das ist ganz verboten, wenn man Raumfahrzeuge da drin testet."
    Damals vor 20 Jahren leuchteten die Physiker mit künstlichem Sonnenlicht auf eine künstliche Kometenoberfläche. Und sie beobachteten einen Schweif, der aber gehörig flackerte.
    "Es bildete sich also ein schützender Mantel, der nur ab und zu mal, wenn der Gasstrom so stark wurde, aufriss und dann Aktivität erzeugte."
    Viele Forscher glauben deshalb bis heute, dass Kometen eine feste Kruste besitzen. Einige Kollegen hat dieser Schluss aber nicht überzeugt.
    "Natürlich: Wir haben Kritik gekriegt. Wir haben das Kometensimulation genannt. Und da sagten viele: Es ist ja kein Komet, was ihr da rein gebt. Ihr gebt Wassereis mit ein bisschen CO2-Eis gemischt und Staub hinein. Der Komet mag ja ganz anders aussehen."
    Komet unter Druck
    Ob auch der reale Komet Tschurjumow-Gerasimenko eine feste Kruste hat, kann Philae wohl erst nach seiner Landung klären. Dafür soll etwa das Thermometer MUPUS von Tilman Spohn vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin einige Zentimeter in den Grund gehämmert werden – und die Festigkeit sowie den Wärmefluss in der Tiefe untersuchen.
    "Was in der Wechselwirkung zwischen diesem Kometenkern – diesem festen Eisbrocken – und der Gas- und Staubkoma passiert, das passiert im Wesentlichen in einer ganz dünnen Schicht an der Oberfläche. Die Action passiert an der Oberfläche."
    Und Action könnte es geben. Denn Tschurjumow-Gerasimenko wird derzeit immer wärmer. Unter seiner Oberfläche könnte sich wie in einem Dampfkochtopf ein enormer Druck aufbauen, bis seine Kruste an manchen Stellen aufreißt. Wie das genau funktioniert, können die Forscher erst ab dem 12. November ergründen – wenn es Philae denn schafft, heil zu landen.