Das waren noch Zeiten, als man für 250 Pfund eine Zwiebelsuppenbar am Londoner Piccadilly Circus eröffnen konnte. Damals war einem eine blaublütige Stammkundschaft garantiert, die besagte Etablissements in unterschiedlichen Graden der Nüchternheit in den frühen Morgenstunden aufzusuchen pflegte, um sich nach den Strapazen zu stärken, die das Durchbringen des Familienvermögens in Bars, Wettbüros und weiblicher Begleitung mit sich bringt. Tempi passati. Aber zum Glück gibt es P.G. Wodehouse. Zum Glück gibt es die 96 Romane und Erzählungssammlungen, die dieser produktivste aller britischen Humoristen im Lauf seiner 72 Jahre währenden Karriere verfasst hat.
Sämtliche Wodehouse-Geschichten spielen in der wonnigen Vorkriegsära, in der Englands Upper Class nichts anderes zu tun hatte, als Gimlets zu mixen und sich exzentrischen Hobbys zu widmen. Dem Züchten von Molchen etwa oder der platonischen, aber umso feurigeren Liebe zu einem prächtigen Warzenschwein. Oder dem Singen von Musical-Melodien, wie Bertie Wooster, der damit selbst die eiserne Oberlippe seines Butlers Jeeves, der wohl berühmtesten Wodehouse-Figur, manchmal fast zum Zittern bringt. Und natürlich verfügt Wodehouses aristokratisches Ensemble über ausreichend Muße, sich ständig in die bizarrsten und scheinbar aussichtslosesten Situationen zu manövrieren.
Der Fünfte Earl von Ickenham, kurz Onkel Fred, ist ein Meister dieser Kunst. Doch wie er in "Onkels Erwachen” beweist, besitzt er im Gegensatz zu Seinesgleichen das seltene Talent, sich aus eben diesen Situationen auch wieder brillant hinauszumanövrieren. Ja, mehr noch: Mit seinem unbestrittenen Genie in dieser Hinsicht rettet der Earl von Ickenham oft ganze Truppen dummdösliger Verwandter und Bekannter vor dem sicheren Untergang.
In "Onkels Erwachen” sieht Onkel Fred sich freilich mit einer geradezu atemberaubenden Menge komischer Komplikationen konfrontiert. Da ist sein geschätzter Neffe Pongo Twistelton, der dringend Finanzmittel benötigt, um seine Spielschulden zu bezahlen, weil ihm sonst der Besuch eines Wesens blüht, das entfernt an Dr. Frankensteins Monster erinnert. Da ist der zu Jähzorn und Eier Werfen neigende Herzog von Dunstable, dessen Geistesverfassung gewissen Leuten Sorgen bereitet und sie zum Hinzuziehen eines Gehirnspezialisten veranlasst, in dessen Rolle wiederum Onkel Fred kurzfristig schlüpft. Die Gründe dafür liegen unter anderem bei Polly, der Tochter eines Detektivs mit dubioser Vergangenheit, für die Onkel Fred eine Schwäche und die ihrerseits mit der eingangs erwähnten Zwiebelsuppenbar am Londoner Piccadilly zu tun hat.
Wie immer bei P.G. Wodehouse drohen diverse glücklich Verlobte entzweit und mehr oder weniger Unschuldige enterbt zu werden. Wie immer verliert man als Leser komplett den Überblick, bis sich auf dem Höhepunkt eines rasanten Showdowns sämtliche Brenzligkeiten zur Zufriedenheit aller in fein parfümierte Luft auflösen.
Die Gesellschaft, die P.G. Wodehouse in seinen Romanen entwirft, ist so real wie ein häkelndes Einhorn, nur viel, viel amüsanter. Dabei steht seine menschliche Komödie Balzacs comédie humaine gewiss in vielem nach, jedoch nicht in ihrer schieren Sprachgewalt. Wodehouse ist ein begnadeter Stilist. Aufs wirkungsvollste paart er maßlose Übertreibung mit maßloser Untertreibung und Drones Club-Jargon mit Fünfuhrtee-Geplänkel. Die Dramaturgie funktioniert perfekt, und mit seinem Sinn fürs Absurde verwandelt er sogar Sodasiphons in tragende, ja tragische Gestalten.
"Onkels Erwachen” wurde im Original 1939 veröffentlicht. Nicht zuletzt der gänzlich zottelfreien Übersetzung von Thomas Schlachter ist es zu verdanken, dass der Wind, der in diesem kuriosen Kammerstück die Blümchentapeten zerzaust, erfrischender nicht sein könnte.
P.G. Wodehouse: Onkels Erwachen. Roman. Aus dem Englischen von Thomas Schlachter. Edition Epoca, Zürich 2010. 266 Seiten, 19.95 Euro/34 Franken
Sämtliche Wodehouse-Geschichten spielen in der wonnigen Vorkriegsära, in der Englands Upper Class nichts anderes zu tun hatte, als Gimlets zu mixen und sich exzentrischen Hobbys zu widmen. Dem Züchten von Molchen etwa oder der platonischen, aber umso feurigeren Liebe zu einem prächtigen Warzenschwein. Oder dem Singen von Musical-Melodien, wie Bertie Wooster, der damit selbst die eiserne Oberlippe seines Butlers Jeeves, der wohl berühmtesten Wodehouse-Figur, manchmal fast zum Zittern bringt. Und natürlich verfügt Wodehouses aristokratisches Ensemble über ausreichend Muße, sich ständig in die bizarrsten und scheinbar aussichtslosesten Situationen zu manövrieren.
Der Fünfte Earl von Ickenham, kurz Onkel Fred, ist ein Meister dieser Kunst. Doch wie er in "Onkels Erwachen” beweist, besitzt er im Gegensatz zu Seinesgleichen das seltene Talent, sich aus eben diesen Situationen auch wieder brillant hinauszumanövrieren. Ja, mehr noch: Mit seinem unbestrittenen Genie in dieser Hinsicht rettet der Earl von Ickenham oft ganze Truppen dummdösliger Verwandter und Bekannter vor dem sicheren Untergang.
In "Onkels Erwachen” sieht Onkel Fred sich freilich mit einer geradezu atemberaubenden Menge komischer Komplikationen konfrontiert. Da ist sein geschätzter Neffe Pongo Twistelton, der dringend Finanzmittel benötigt, um seine Spielschulden zu bezahlen, weil ihm sonst der Besuch eines Wesens blüht, das entfernt an Dr. Frankensteins Monster erinnert. Da ist der zu Jähzorn und Eier Werfen neigende Herzog von Dunstable, dessen Geistesverfassung gewissen Leuten Sorgen bereitet und sie zum Hinzuziehen eines Gehirnspezialisten veranlasst, in dessen Rolle wiederum Onkel Fred kurzfristig schlüpft. Die Gründe dafür liegen unter anderem bei Polly, der Tochter eines Detektivs mit dubioser Vergangenheit, für die Onkel Fred eine Schwäche und die ihrerseits mit der eingangs erwähnten Zwiebelsuppenbar am Londoner Piccadilly zu tun hat.
Wie immer bei P.G. Wodehouse drohen diverse glücklich Verlobte entzweit und mehr oder weniger Unschuldige enterbt zu werden. Wie immer verliert man als Leser komplett den Überblick, bis sich auf dem Höhepunkt eines rasanten Showdowns sämtliche Brenzligkeiten zur Zufriedenheit aller in fein parfümierte Luft auflösen.
Die Gesellschaft, die P.G. Wodehouse in seinen Romanen entwirft, ist so real wie ein häkelndes Einhorn, nur viel, viel amüsanter. Dabei steht seine menschliche Komödie Balzacs comédie humaine gewiss in vielem nach, jedoch nicht in ihrer schieren Sprachgewalt. Wodehouse ist ein begnadeter Stilist. Aufs wirkungsvollste paart er maßlose Übertreibung mit maßloser Untertreibung und Drones Club-Jargon mit Fünfuhrtee-Geplänkel. Die Dramaturgie funktioniert perfekt, und mit seinem Sinn fürs Absurde verwandelt er sogar Sodasiphons in tragende, ja tragische Gestalten.
"Onkels Erwachen” wurde im Original 1939 veröffentlicht. Nicht zuletzt der gänzlich zottelfreien Übersetzung von Thomas Schlachter ist es zu verdanken, dass der Wind, der in diesem kuriosen Kammerstück die Blümchentapeten zerzaust, erfrischender nicht sein könnte.
P.G. Wodehouse: Onkels Erwachen. Roman. Aus dem Englischen von Thomas Schlachter. Edition Epoca, Zürich 2010. 266 Seiten, 19.95 Euro/34 Franken