Landtagswahl im Saarland
Ein persönlicher Triumph für SPD-Kandidatin Anke Rehlinger

Aus dem Wahlergebnis im Saarland soll man besser keine voreiligen Schlüsse für die Bundespolitik ziehen, kommentiert Dlf-Chefredakteurin Birgit Wentzien im Dlf. Die Parteienlandschaft ist im Saarland anders aufgestellt als im Rest der Republik. Der Erfolg der SPD hängt stark an der Spitzenkandidatin Anke Rehlinger.

Ein Kommentar von Birgit Wentzien | 27.03.2022
Landtagswahl im Saarland - SPD Wahlparty
Anke Rehlinger, SPD-Spitzenkandidatin steht auf der SPD-Wahlparty zur Landtagswahl im Saarland auf der Bühne (picture alliance/dpa)
Der Trend im Saarland ist eine Genossin – Anke Rehlinger, bisherige Ministerin für Wirtschaft, Energie, Arbeit und Verkehr, wird Regierungschefin und diese Wahl ist ihr persönlicher Triumph und auch das Resultat von Niederlagen anderer.

Amtsinhaber Hans ohne Amtsbonus

Amtsinhaber Tobias Hans von der CDU war in seiner ersten Wahl ganz offensichtlich ein Amtsinhaber ohne Amtsbonus, mit wenig Konzept und kaum Kampagne. Und alle traditionell der Union zugeschriebenen Kompetenzen landeten auf Rehlingers Konto: Arbeitsplätze, Wirtschaft, Transformation.

Kommenden Landtagswahlen sind die eigentliche Wahl-Transformation

Ein Trend ist noch lange keine Serie. Die bevorstehenden Landtagswahlen im Mai in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen und im Oktober dann in Niedersachsen sind die eigentliche Wahl-Transformation in diesem Jahr. An alle, die jetzt meinen, schnell aus dem Triumph im Südwesten Kraft ziehen zu können.
Mehr zum Ausgang der Landtagswahl im Saarland:
SPD kann im Saarland alleine regieren
Newsblog zur Landtagswahl im Saarlan

Saarland ist so ganz anders

Das Saarland ist eigen und so ganz anders als der Bund. Wer in die Geschichte und Gegenwart dieses Bundeslandes schaut, sieht zwei wesentliche Unterschiede: SPD und CDU haben hier ihre Bindungskräfte nicht verloren und die sogenannten kleineren Parteien sind hier außerordentlich schwach und zerstritten und gespalten. Ja, mehr noch: Grüne, Linke, FDP und jetzt auch AfD überziehen sich intern mit Kabalen und Zwistigkeiten. Man könnte meinen, das Saarland ist zu klein für kleine Parteien.

CDU-Chef Friedrich Merz muss sich Gedanken machen

Bundeskanzler Olaf Scholz wird sich freuen in der ihm eigenen Zurückhaltung und den Trend aus dem Südwesten zur Kenntnis nehmen. Friedrich Merz, der CDU-Bundeschef, muss sich Gedanken machen. Tobias Hans im Saarland jetzt, demnächst im Mai Daniel Günther in Schleswig-Holstein und Hendrik Wüst in Nordrhein-Westfalen sind Vertreter der nächsten, jüngeren Generation in der Union. An ihren Ergebnissen in Summe wird sich Merz messen lassen müssen. Für ihre Wahlkämpfe braucht’s durchdachte Konzepte und Kampagnen mit Wirkkraft und Biss. Und da wird die von Friedrich Merz von Berlin aus praktizierte Distanz zum Saarland – lange vor dem Wahltag - nicht ausreichen.
Und – dies alles in einer Zeitenwende voller Ungewissheit und Ungleichzeitigkeit jetzt. Es sind Landtagswahlen im Land und es ist Krieg in Europa. Welche Ausmaße wird der Krieg in der Ukraine haben, welche Folgen sind zu bedenken? Schnell zusammengeschusterte Hilfspakete zur Abmilderung der Energiepreise reichen für den Moment. Sie reichen längstens nicht auf der zeitlichen Strecke.
Wieweit ist es von Berlin nach Kiew? Haben wir diese Entfernung im entferntesten schon ermessen? Nein, haben wir nicht. Wir Nachgeborenen, die nichts als Frieden kennen und die Selbstverständlichkeit dieses Friedens gerade anfangen schätzen zu lernen. Und zu reden wird sein über den Wert dieses Friedens und über seinen Preis. Nicht ausgeschlossen, dass wir uns an diesen Wahlabend im Laufe des Jahres zurückerinnern und die Klarheit des Trends bestaunen werden. Dann, wenn die Dimension des Krieges klarer werden wird und damit auch unser eigener notwendiger Beitrag, auch gegenüber den uns nachfolgenden Generationen. Im Moment schieben wir diese Einsicht noch vor uns her – grad‘ so als wäre kein Krieg mitten in Europa.
Birgit Wentzien wurde 1959 in Hamburg geboren. Sie absolvierte eine Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule in München sowie ein Studium der Kommunikationswissenschaften und Politologie an der dortigen Ludwig-Maximilians-Universität. Es folgte 1985 bis 1986 ein Volontariat beim SDR in Stuttgart, wo sie bis 1992 als Redakteurin, Moderatorin und Autorin im Bereich Politik tätig war. 1993 ging sie als Korrespondentin nach Berlin, wo sie ab 1999 als stellvertretende Leiterin, ab 2004 als Leiterin des SWR-Studios Berlin amtierte. Seit 1. Mai 2012 ist Birgit Wentzien Chefredakteurin des Deutschlandfunk.