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Kommentar zu Abschiebungen
Symbolpolitik zulasten der Menschlichkeit

Schärfere Abschieberegeln der Ampel-Regierung würden auch Familien treffen: Man müsse fragen, wie der Staat mit Menschen umgeht, so Dlf-Korrespondentin Katharina Hamberger. Zudem sei eine spürbare Entlastung der Kommunen Augenwischerei, meint sie.

Ein Kommentar von Katharina Hamberger |
Ein Flugzeug startet, fotografiert durch Stacheldraht am Flughafenzaun.
Asylbewerber ohne Aufenthaltsrecht sollen künftig schneller ausgewiesen werden: Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf dazu beschlossen. Rund 50.000 Menschen in Deutschland wären betroffen. (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
Rückführungsverbesserungsgesetz – was für ein Euphemismus. Der Name, den das Bundesinnenministerium diesem Gesetz gegeben hat, klingt, als gehe es einfach nur um einen Behördenvorgang. Dabei geht es doch um Menschen. Und der Umgang mit ihnen soll nun deutlich verschärft werden.
Natürlich: Um Abschiebungen kommt der Staat, so hart es ist, nicht herum. Sie sind Teil unseres funktionierenden Rechtsstaates. Es muss aber schon die Frage gestellt werden, wie er mit den Menschen umgeht. Dabei geht es nicht um Straftäter, die abgeschoben werden sollen, sondern vielfach um diejenigen, die sich nichts zu Schulden haben kommen lassen, die aber nach geltendem Recht keine Möglichkeit haben, in Deutschland zu bleiben. Das sind auch Familien mit Kindern, manche sind schon lange hier. Das sind Menschen mit einer Fluchtgeschichte, Menschen mit Hoffnungen. Sie wird nun die Härte der Verschärfungen treffen.
Den Behörden wiederum werden Teile der neuen Regelungen die Arbeit sicher erleichtern. Beispielsweise, dass sie nun auch in andere Räume in einer Gemeinschaftsunterkunft gehen dürfen, um eine Person, die abgeschoben werden soll, zu finden – und nicht nur in das Zimmer des oder der Betroffenen. Das heißt aber für alle Bewohner und Bewohnerinnen einer Unterkunft, dass sie ständig damit rechnen müssen, dass die Polizei ohne Ankündigung in ihre privaten Räume kommen kann.
Noch mindestens eine weitere geplante Regelung zielt darauf ab, zu verhindern, dass jemand untertauchen kann, um sich der Abschiebung zu entziehen. So soll die einmonatige Ankündigungsfrist einer Abschiebung für Menschen, die mindestens ein Jahr mit einer Duldung in Deutschland leben, entfallen. Für die Betroffenen bedeutet das jedoch, mit ständiger Angst und Ungewissheit zu leben.

Straftäter können oft nicht ausgewiesen werden

Sinnvoll scheint die Erweiterung der Ausweisungsgründe für Straftäter, also unter anderem die Verurteilung von Schleusern zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe und die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung – ohne Verurteilung. Allerdings wird auch das nicht so einfach werden, wie es klingt, denn die betroffene Person muss ja auch abgeschoben werden können. Das geht aber zum Beispiel nicht, wenn jemand aus Syrien oder dem Iran kommt, unter anderem auf Grund der Menschenrechtslage.
Die massiven Verschärfungen sind wohl auch ein Stück weit Symbolpolitik, man hofft auf eine Signalwirkung. Dass nun mit den neuen Regelungen eine spürbare Entlastung für die Kommunen eintritt, dass diese, wie es Innenministerin Nancy Faeser sagt, notwendig sei, damit man Menschen, die in Deutschland Schutz vor Krieg und Terror gefunden hätten, weiter gut versorgen könne – das ist Augenwischerei. De facto geht es laut Innenministerium nur um rund 50.000 ausreisepflichtige Menschen.
Interessant wird nun aber erst einmal, ob diese neuen Regelungen so kommen werden. Denn sie sind zwar innerhalb der Bundesregierung geeint, aber noch lange nicht in den Koalitionsfraktionen. Zwar haben sich SPD, FDP und Grüne im Koalitionsvertrag auf eine sogenannte „Rückführungsoffensive“ geeinigt. Das war aber damals schon vor allem bei den Grünen umstritten – und Teile der Fraktion kritisieren jetzt schon den aktuellen Gesetzentwurf und auch die grundsätzliche Ankündigung einer härteren Asylpolitik. Die Ampel steuert hier also ein weiteres Mal auf eine harte Debatte zu. 
Katharina Hamberger, Hauptstadtstudio
Katharina Hamberger, Jahrgang 1985, hat Medienwissenschaft, Politikwissenschaft und Journalismus in Regensburg und Hamburg studiert. Während des Studiums arbeitete sie als freie Journalistin unter anderem für die "taz" und die "Passauer Neue Presse". Journalistische Erfahrung sammelte sie außerdem beim Bayerischen Rundfunk, der Talksendung "Anne Will" und dem "Hamburger Abendblatt". Seit Ende ihres Deutschlandradio-Volontariats 2012 arbeitet sie als freie Korrespondentin im Hauptstadtstudio von Deutschlandradio.