Archiv

Landratswahl in Sonneberg
Die ganz große Koalition gegen die AfD

47 Prozent der Stimmen bekam der AfD-Kandidat für das Landratsamt in Sonneberg im ersten Wahlgang. Nun unterstützen alle anderen Parteien den CDU-Kandidaten in der Stichwahl. Richtig so, denn die AfD hat keine Antworten auf die Fragen der Gegenwart.

Von Henry Bernhard |
Ein Plakat mit dem Logo der Partei Alternative für Deutschland (AfD) hängt an einem Zaun.
Die AfD erzielt in eher ländlichen Gegenden Ostdeutschlands große Wahlerfolge, wie im Kreis Sonneberg in Thüringen. (picture alliance / dpa / Nicolas Armer)
"Wir haben einen Guerillakrieg gemacht gegen die etablierten Parteien", so erzählt es der AfD-Kandidat Robert Sesselmann gern über seinen letzten Wahlkampf um das Landratsamt im thüringischen Sonneberg vor fünf Jahren. So sieht sich die AfD noch immer: im Kampf gegen alle.
Das jetzige Wahlergebnis, Sesselmann kommt auf 47 Prozent, bewirkt nun genau das auch auf der Gegenseite: Alle anderen Parteien - Linke, SPD, Grüne, FDP - unterstützen den Kandidaten der CDU in der Stichwahl. Um möglicherweise den ersten Landrat mit AfD-Parteibuch gerade noch so zu verhindern.

AfD im Stimmungshoch

Das ist nicht unüblich, aber in dieser breiten Geschlossenheit von konservativ bis links doch selten. Es gibt jedoch einen Vorgeschmack auf das kommende Jahr, wenn in Sachsen, Brandenburg und Thüringen neue Landtage und Landräte gewählt werden. Bleibt es bei den guten Erwartungen für die AfD – Umfragen sehen sie bei bis zu 30 Prozent - wird es immer öfter zur Situation "Alle gegen einen" kommen, um die in weiten Teilen rechtsextreme ostdeutsche AfD von der Macht fernzuhalten.

Populismus kann das Original besser

Dieser Reflex ist richtig, weil die AfD keine Antworten auf die Fragen der Gegenwart und schon gar nicht auf die der Zukunft hat. Weil sie beim Blick ins Grundgesetz schon am ersten Artikel scheitert: der Wahrung der Menschenwürde. Dieses „Alle gegen die AfD“ kann aber nur eine Notlösung bleiben, da es die Demokratie schwächt und politische Differenzen verwischt und außerdem die AfD in ihrer Opferrolle nur noch bestärkt.
Die Parteien müssen es schaffen, aus sich heraus Alternativen zur AfD zu bieten, die viele Menschen vor allem im Osten, vor allem im ländlichen Raum, offensichtlich nicht mehr erkennen. Dabei ist es wichtig, verständliche, glaubwürdige und sozial ausgewogene Angebote jenseits der AfD-Rhetorik zu machen und nicht zu versuchen, diese zu kopieren, wie es CDU-Bundeschef Merz, aber auch der Thüringer Landesvorsitzende Mario Voigt gelegentlich versuchen. Das Original kann rechten Populismus schlicht besser.
Es ist gut, dass in der Stichwahl alle Parteien in Sonneberg zur CDU stehen – gegen den Rechtsaußen-Kandidaten. Anders übrigens als die CDU im Landkreis Oder-Spree vor ein paar Wochen, die sich nicht einmal dazu durchringen konnte, zur Wahl eines Sozialdemokraten aufzurufen.

Arbeitskräfte werden dringend gebraucht

Die Parteien diesseits der AfD haben verstanden, dass angesichts der massiven Verrentungswelle im Osten in den nächsten Jahren Arbeitskräfte aus dem Ausland gebraucht werden. Sie haben verstanden, dass die Rezepte der Vergangenheit nicht für die Zukunft taugen.
Noch eines sei erwähnt: Wer AfD aus Protest wählt, hat im Osten vielleicht Verständnis von seinem Nachbarn und seinem Kollegen. Weniger Verständnis wird er von Zuwanderern erhalten, die als Arbeitskräfte dringend gebraucht werden. Auf diese kommt es für die Wirtschaft an, wie aktuell auch Politiker und Manager beim Ostdeutschen Wirtschaftsforum in Brandenburg betonen. Aus Polen, aus Brasilien oder auch nur aus Hessen.
Denn um sich von der AfD abgestoßen zu fühlen, muss man nicht einmal Schwarz sein oder Deutsch mit Akzent sprechen. Auch wenn das in manchem Thüringer Dorf schwer vorstellbar ist.