Kommentar
Das Attentat auf Donald Trump verändert alles

Nach dem Anschlag auf Donald Trump ist alles anders: im Wahlkampf, für Amerika und die Welt. Nach dem Mordanschlag ist es wahrscheinlicher als jemals zuvor, dass der frühere Präsident der USA im November erneut ins Weiße Haus gewählt wird.

Von Doris Simon |
Der republikanische Präsidentschaftskandidat und ehemalige US-Präsident Donald Trump reckt seine Faust in die Höhe, als er nach einem Anschlag auf ihn von Sicherheitsleuten in ein Auto gebracht wird.
Bereits ikonische Geste: Trumps in die Luft gereckte Faust nach dem Attentat auf ihn. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Gene J. Puskar)
Das Bild des früheren Kandidaten mit blutverschmiertem Gesicht, der sich erst vom Secret Service in Deckung bringen lässt, nachdem er die Faust gereckt und „Kämpft! Kämpft! Kämpft!“ gerufen hat – dieses Bild wird in die Geschichtsbücher eingehen.
Es war ein Attentat, ein Mensch starb, mehrere wurden verletzt. Auch Donald Trump. Aber der blutende, ungebeugte Trump, das ist genau das Bild, das der frühere Präsident vermitteln will; und so sehen ihn auch seine Anhänger: Niemals aufgeben, immer kämpfen. Und alles einen Tag vor Beginn des Wahlparteitags der Republikaner, vor der Krönungsmesse für den Kandidaten, vor dem Hintergrund einer auf ihn eingeschworenen Partei.
Der Kontrast zum politischen Gegner könnte nicht größer sein: die Demokraten gespalten in zwei Lager, während der geschwächte US-Präsident seit Wochen vergeblich versucht, seine Kritiker davon zu überzeugen, dass er fit sei für eine zweite Amtszeit.

Politische Ziele mit Gewalt erreichen

Das Land ist geschockt. Die Schüsse in Butler, Pennsylvania, haben die Leute aufgeschreckt. Wie ist es so weit gekommen mit Amerika? Trotz aller Gewöhnung an Gewalt, trotz alltäglicher Schusswaffengewalt und vereinzelter politischer Attentate. Trotz des vergifteten politischen Diskurses, der den politischen Gegner oft als Hassfigur karikiert. So wollen die Amerikaner ihr Land nicht sehen. Aber Amerika hat sich verändert.
Wissenschaftler und Meinungsforscher warnen seit Langem, dass eine Minderheit der Amerikaner bereit sei, ihre politischen Ziele mit Gewalt zu erreichen. 17 Prozent der US-Bürger denken laut einer neuen Umfrage so, Linke und Rechte. Und viele von ihnen besitzen Waffen.

Mehr Schärfe gegenüber politischem Gegner

Joe Biden trat vor vier Jahren an, um das Land zu einen. Das ist ihm nicht gelungen. Die Gräben sind tiefer geworden. Daran trägt nicht nur Biden Schuld. Sein Amtsvorgänger hat keine Gelegenheit ausgelassen, Hassreden zu schwingen und seine Anhänger aufzuhetzen. Die Gewalt an Wahllokalen in vielen Bundesstaaten und der Umsturzversuch am Kapitol am 6. Januar 2021 haben gezeigt, was dann passieren kann.
Aber auch bei den Demokraten hat die Darstellung des politischen Gegners an Schärfe zugenommen: wenn nonstop von existentieller Bedrohung gesprochen wird und Joe Biden ankündigt, seinen Vorgänger „ins Visier“ zu nehmen.
Von allen Seiten gibt es nun Aufrufe, gefährliche und hasserfüllte Rhetorik zurückzuschrauben. Die Demokraten haben Anti-Trump-Spots und -Posts zurückgezogen. Sie sind jetzt doppelt in der Defensive, neben dem Streit um Joe Bidens erneute Präsidentschaftskandidatur.

Mehr Spenden für Trump erwartet

Donald Trump dagegen muss nicht viel sagen oder tun: Er hat jetzt die Aufmerksamkeit des gesamten Landes. Nach dem Attentat und dem Parteitag wird sein Wahlkampfteam neue Höchststände bei Geldspenden verkünden. Und auch politikferne Wählerinnen und Wähler sind auf einmal interessiert, zumindest für den Moment.
Donald Trump wird auf dem Parteitag in Milwaukee wiederholen, was er seinen Anhängern immer wieder sagt, und was auch auf den Wänden im Parteitagszentrum steht: Sie sind in Wirklichkeit nicht hinter mir her, sondern hinter euch. Ich stehe ihnen nur im Weg. In diesem Sinne ist das Attentat auf ihn in Wirklichkeit ein Anschlag auf Amerika gewesen. Mehr Menschen als zuvor werden das glauben. Wie auch sein Versprechen, er werde das Land wieder zusammenführen. Das Attentat hat alles verändert.