Es könnte die Vorlage für ein ekelhaftes Schmierentheater sein, was in Brasilien abgeht, wäre die ganze Situation nicht real und brandgefährlich für dessen Demokratie.
Wir rekapitulieren: Der abgewählte Präsident Jair Bolsonaro – Bewunderer von Militärdiktatur und Folter - gibt seine Wahlniederlage nicht zu, setzt sich kurz vor Amtsübergabe an die Regierung Lula nach Florida ab und schürt weiter die Mär vom Wahlbetrug. Derweil beruft der Gouverneur von Brasilia, sein ausgewiesener Alliierter, Bolsonaros bisherigen Justizminister zum Sicherheitschef des Hauptstadt-Distrikts. Der wiederum ist nicht nur gut vernetzt mit bestimmten Polizeieinheiten, die schon bei der Präsidentschaftswahl im Oktober verhaltensauffällig waren. Nein, er hält sich zufälligerweise wie der Ex-Präsident seit ein paar Tagen in den USA auf – und hat rein gar nichts mit den Vorgängen in Brasilia zu tun. Obwohl eine Groß-Demonstration von Bolsonaros Anhängern bevorstand, wegen der er die Sicherheitsvorkehrungen in der Hauptstadt ausdrücklich verstärken sollte. Was nicht geschah, wie wir jetzt wissen.
Das Gift des Bolsonarismo
Die Bezeichnung rechtsextrem für Brasiliens Ex-Präsident Jair Bolsonaro und seine drei Söhne als mächtige Strippenzieher hat ausgedient. Bolsonaro steht nicht mehr am rechten Rand, er ist jetzt im Lager der Rechtsradikalen, der bewussten Zerstörer der Demokratie. Auf Twitter bezeichnet er sich als „Präsident Brasiliens“ und seine Botschaften sollten genau gelesen werden: Er habe in der Zeit seines Mandats die Gesetze und die Demokratie respektiert und verteidigt. Danach verurteilt Bolsonaro noch den Vandalismus in öffentlichen Gebäuden. Kein Wort zur Verteidigung der angegriffenen Institutionen, des Parlaments, des demokratisch gewählten Präsidenten oder des Obersten Gerichtshofs. Zur Hatz auf die Obersten Richter hatte die Bolsonaro-Sippe übrigens schon früher aufgerufen.
Der Bolsonarismo hat sich wie Gift in die brasilianische Gesellschaft gefressen. Viele Menschen sind bitterarm, Bildung – erst recht politische Bildung – hängt vom Geldbeutel ab. Fake news greifen. Bolsonaros Söhne stehen in begründetem Verdacht, die Sozialen Medien weitreichend manipuliert zu haben. Untersuchungswürdig sind auch Verbindungen zu Milizen bis hin zu einem Mord.
Demokratie braucht gerechtere Verteilung
Die größten Unterstützergruppen Bolsonaros – die Evangelikalen, das Militär, die Unternehmer - müssen jetzt ihr Verhältnis zur Demokratie und Rechtsstaat klären. Letztlich geht es im reichen Brasilien um Verteilungskämpfe angesichts obszöner Armutszahlen. Wer Demokratie will, muss hinnehmen, dass an der Einkommensverteilung gerüttelt wird. Wer Militärdiktatur will, sollte sich daran erinnern, wie bankrott die Militärs Brasilien in den 80er-Jahren an die demokratischen Institutionen übergaben.