Darf in Zeiten des Krieges gnadenlos ins neue Jahr geböllert werden? Eigentlich nicht, aber der Politik fehlte der Mut, den Deutschen nach der Corona-Abstinenz erneut das Feuerwerk zu verbieten. Darf Christine Lambrecht in einer Neujahrsansprache über den Krieg reden, wenn im Hintergrund Silvesterknaller explodieren? Sie darf, aber 2023 hoffentlich nicht mehr als Verteidigungsministerin!
Als der umtriebige Ex-Botschafter Andrij Melnyk am Silvestertag auf Twitter von neuen russischen Raketeneinschlägen berichtet, werden dort zur Antwort erste Videos von jungen Berlinern verschickt, die sich gegenseitig mit Feuerwerkskörpern beschießen: „Bei Euch ist es ernst, hier spielen sie Krieg!“, lautet die Botschaft. Sie hätte eine Warnung für Christine Lambrecht sein können: Doch die Verteidigungsministerin präsentiert sich in der Silvesternacht vor zumindest akustisch kriegerischer Kulisse. Schlimmer noch: Sie preist ihre vielen Begegnungen mit interessanten und tollen Menschen, die es - so der unvermeidliche, wie haarsträubende Umkehrschluss - ohne den Krieg gar nicht hätte geben können. Nichts geht über Realsatire!
Lambrechts Weg von einem Fettnäpfchen ins nächste
Dieser vielleicht gut gemeinte Neujahrsgruß ist eine peinliche Entgleisung: Helme, Schuhe, Helikopter-Sohn: Christine Lambrecht stolpert von einem Fettnäpfchen ins nächste. Hilflos versucht ihr Sprecher heute, den Auftritt als Privatsache abzutun, schließlich habe sie ihren persönlichen Instagram-Account und keine dienstlichen Ressourcen genutzt. Es könnte kaum distanzierter klingen. Denn privat sind Äußerungen einer Verteidigungsministerin nicht – es sei denn, sie werden im Chat der Familie Lambrecht veröffentlicht.
Auch die Pool-Planscherein des verliebten Rudolf Scharping im Sommer 2001 der „Bunten“ als Fotos zur Illustration einer rührenden Lovestory zu überlassen, waren irgendwie privat - und trugen am Ende doch mit bei zur Entlassung des sozialdemokratischen Verteidigungsministers.
Noch sitzt Olaf Scholz das Problem Lambrecht aus. Er reagiert stur, wenn er unter Druck steht. An seinem wochenlangen Nein zur Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine ließ sich das beobachten, zuletzt hat er nachgegeben. Eine Häufung peinlicher Auftritte aber hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Erst kurz vor Weihnachten hat Scholz Lambrecht als „erstklassige Verteidigungsministerin“ gelobt. Erfahrungsgemäß ist es von solch überbordenden Solidaritätsbekundungen bis zum Bruch nicht mehr weit. Christine Lambrecht darf vieles tun, aber nicht als Ministerin das Land lächerlich machen. Es ist Zeit für einen Schlussstrich!