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Kommentar zu Covid-Kontrollen
Tests an Flughäfen sind Aktionismus

Eine Corona-Testpflicht für Einreisende aus China wird neue Virusvarianten garantiert nicht aufhalten, kommentiert Christiane Knoll. Deutlich sinnvoller sei das konsequente Sequenzieren und eine globale Zusammenarbeit.

Ein Kommentar von Christiane Knoll |
Eine Frau führt bei einem Reisenden aus China einen Coronatest durch
Flughafen Charles-de-Gaulle in Paris: Reisende aus China müssen bei Einreise nach Frankreich einen negativen Coronatest erbringen. (IMAGO / IP3press / IMAGO / Luc Nobout)
Wollen wir ein Bollwerk werden gegen Viren aus China? Gegen alle Viren – oder nur gegen neue Mutanten? Was ist eigentlich das Ziel? Wieder einmal geht da so einiges durcheinander in der Debatte.

In China rauscht derzeit Omikron durch die größte Bevölkerung der Welt, und mit jedem Virus-Abkömmling verändert es sich. Muss daraus eine neue, gefährliche Variante entstehen? Die vage Möglichkeit besteht, aber mit Tests am Flughafen werden wir sie garantiert nicht aufhalten.

Wenn Australien und Kanada Flugreisende aus China zu einem Test vor Abreise verpflichten, dann werden diese Fluggäste das Virus nicht auf den eigenen Kontinent tragen. Der Effekt: Gleich null, solange es sich um die bekannten Varianten handelt, im Zielland zirkulieren sie eh. Aber auch wenn neue, durchsetzungsstarke Varianten auftauchen, dürften sie sich schnell über den Globus verbreiten. So geschehen zum Beispiel vor einem Jahr mit Omikron. Als Südafrika die neue Variante entdeckt hatte und als Replik auf die vorbildlich schnelle Veröffentlichung Reisebeschränkungen kassierte, war Omikron längst in der Zentralafrikanischen Republik unterwegs. Der wirtschaftliche Schaden für Südafrika: enorm, der Nutzen für die Weltgesundheit: nicht existent.

Die Virusveränderungen genau im Blick behalten


Wenn überhaupt etwas hilft, dann ist es Information: Welche Verästelungen gehen da im Omikron-Stammbaum gerade vor sich? Das verraten die Sequenzinformationen, die China allerdings nur spärlich bereitstellt. Was nichts heißen muss: Vielleicht bilden die wenigen online veröffentlichten Erbgutfolgen tatsächlich das Geschehen ab. Vieles spricht im Moment sogar dafür. Und hier steuern wir auf den Kern der Debatte zu.

Wie schnell müssten wir wissen, was vor sich geht, damit es relevant wird? Oder anders formuliert: Was nützt mir ein Wecker, der auf die hundertstel Sekunde genau geht, wenn ich eine Minute brauche, um darauf zu reagieren?
An den europäischen Flughäfen könnten wir mit PCR-Tests die Lupe auf die aus China eingereisten Viren werfen. Wir könnten wie Österreich auch das Abwasser aus den Flugzeugen sequenzieren, wobei die Frage bleibt, ob die Erbsubstanz die Chemie in der Bordtoilette überhaupt überlebt. Aber angenommen, wir finden Mutationen, wie gut und schnell werden wir sie interpretieren - und was machen wir dann? Von heute auf morgen wieder Masken tragen? Lockdown? Impfstoff anpassen?

Ganz gleich, welches Szenario man sich ausdenkt: Aktionismus an den Flughäfen macht kaum einen Unterschied. Wenn wir uns schon so ins Zeug legen, dann doch lieber auf der Langstrecke: für eine konsequente Sequenzierung und globale Zusammenarbeit.