CSD unter Polizeischutz
Kommentar: Ein Angriff auf die liberale Demokratie an sich

Der Aufmarsch Hunderter Neonazis beim CSD in Bautzen ist eine Zumutung für die Demokratie, meint Alexander Moritz. Zumal diese sich häufen. Solidarische Worte des sächsischen Ministerpräsidenten hätten viele gerne gehört, doch der schweigt bislang.

Ein Kommentar von Alexander Moritz |
Teilnehmer einer Demonstration zum Christopher-Street-Day (CSD) werden von Polizisten durch die Stadt begleitet.
Der von rechtsextremen Protesten überschattete Demonstrationszug zum Christopher Street Day (CSD) im ostsächsischen Bautzen ist nach Angaben der Polizei ohne gravierende Zwischenfälle zu Ende gegangen. (picture alliance / dpa / Sebastian Willnow)
Manche Männer lieben Männer, manche Frauen lieben Frauen und es gibt Menschen, die sich in der klassischen Einteilung in zwei Geschlechter nicht wiederfinden – auch in Bautzen. Dass diese Vielfalt anerkannt wird, ist eine Errungenschaft. Sexuelle Selbstbestimmung ist ein grundlegendes Freiheitsrecht – und es gilt selbstverständlich auch im ländlichen Osten Sachsens.
Genau dagegen richtete sich der Aufmarsch von über 500 Neonazis: Mit maskulin-martialischem Einschüchterungsgebaren, Reichsflaggen und Hitlerjungen-Frisuren trugen sie ihren Hass auf die Straße.
Der massive Polizeischutz verhinderte größere körperliche Gewalt. Ein positives Fazit, wie die Polizei in ihrem Abschlussbericht schreibt, kann man dennoch nicht ziehen. Der menschenfeindliche Aufmarsch ist eine Zumutung für die Demokratie.
Organisiert wurde er unter anderem von den "Jungen Nationalisten", der Jugendorganisation der ehemaligen NPD. Unter den Teilnehmenden waren auffallend viele Jugendliche, teils angereist aus Dresden und weiter entfernten Orten. Und auch in Bautzen selbst gibt es eine starke rechtsextreme Jugendszene.

Machtdemonstration und direkte Bedrohung

Der rechte Aufmarsch ist eine Machtdemonstration, einerseits. Für alle, die nicht den tumben rechten Vorstellungen von Normalität entsprechen, ist er eine direkte Bedrohung. Am Bahnhof versuchten Neonazis, eine Regenbogenfahne zu verbrennen. Eine symbolische Ersatzhandlung für rechte Auslöschungsfantasien. Umso bewundernswerter ist der Mut der über 1000 Teilnehmenden des CSD. Ebenfalls überwiegend junge Menschen, für die sexuelle Vielfalt ebenso selbstverständlich ist wie für die Neonazis ihr Hass darauf.
Drohungen und rechte Störaktionen gegen CSDs hatte es zuletzt auch in anderen Städten gegeben – in Dresden etwa, aber auch in Berlin und Köln. Die Bedrohung richtet sich nicht nur gegen eine sexuelle Minderheit. Die extreme Rechte zielt auf die liberale Demokratie an sich, gegen individuelle Freiheit und Vielfalt. Insofern ist es auch nicht überraschend, dass die Neonazis den CSD in Bautzen mit „Ausländer raus“-Rufen belegt haben.

Solidarität auch von Konservativen!

Solidarität mit dem CSD gebietet sich daher auch für Konservative, die ein Interesse an unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung haben. Der Bautzener CDU-Oberbürgermeister hat das verstanden, auch die CDU-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat. Beide waren beim CSD, vor dem Rathaus wehte die Regenbogenfahne.
„Wir lassen uns nicht vorschreiben, wer wen liebt“ hatte auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer mehrfach gesagt, zuletzt beim CDU-Parteitag im Juni. Einen solchen Regenbogensatz hätten nach Bautzen wohl auch viele der CSD-Teilnehmer gerne gehört. Doch der sonst so mitteilungsfreudige CDU-Spitzenkandidat Kretschmer schweigt bislang.
Ein Porträt von Alexander Moritz
Alexander Moritz, Jahrgang 1991, studierte in Leipzig, Lyon und Växjö Politikwissenschaft und European Studies. Vor seinem Volontariat beim Deutschlandradio arbeitete er als freier Journalist u. a. für den MDR, Radio France und Spiegel Online. Er war Chefredakteur und Moderator bei mephisto 97.6, dem Lokalradio der Universität Leipzig. Seit September 2020 ist er Landeskorrespondent von Deutschlandradio in Sachsen.