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Kommentar
Der DOSB hat sich überschätzt

Medaillen sind nicht alles. Aber: Sie sind DIE Währung in den Olympischen Sportarten – und der Deutsche Olympische Sportbund hat in Sotschi wieder gezeigt, dass er mit dieser Währung nicht umgehen kann.

Von Bastian Rudde | 23.02.2014
    Schon vor zwei Jahren bei den Sommerspielen in London konnten die deutschen Olympioniken die Vorgaben des DOSB nicht erfüllen. Jetzt – bei den Winterspielen – ein ähnliches Bild. Mit völlig utopischen 42 Medaillen hatte der DOSB gerechnet – im besten Fall. Im schlechtesten sollten es immerhin noch 27 Medaillen werden.
    Es wurden 19 – das schlechteste Abschneiden seit der Wiedervereinigung. Und: Fast alle fünf Nationen, die in Sotschi mehr Medaillen geholt haben als Deutschland, haben sich im Vergleich zu den letzten Winterspielen verbessert oder ihr Niveau zumindest gehalten.
    Was läuft also schief – hier im Land der deutschen Effektivität?
    Es sind zwei Dinge. Erstens überschätzen die Sportpolitik und der DOSB die Leistungsfähigkeit des von ihnen verantworteten und gestalteten Systems. Zweitens sind der DOSB als Dach-Organisation und die ihm untergeordneten Verbände oft nicht in der Lage, Entwicklungen abzusehen und dementsprechend perspektivisch zu handeln. Dafür gab es in Sotschi einige Beispiele – hier mal eine Auswahl:
    Beispiel Bob: Wie kann es sein, dass die deutschen Piloten technisch teilweise zwar besser fahren als ihre Konkurrenten, dann aber wegen des schlechteren Materials nichts mit Gold, Silber und Bronze zu tun haben? Und wie kann es sein, dass es danach peinliche, öffentliche Zuweisungen gibt, wer denn nun an dem schlechten Material Schuld hat – das mit Steuergeldern unterstützte Entwicklungs-Institut in Berlin oder möglicherweise ein zu dickköpfiger Bundestrainer?
    Beispiel Eisschnelllauf: Wie kann es sein, dass es bei den deutschen Frauen seit Jahren einen sogenannten "Zickenkrieg" gibt? Und wie kann es sein, dass ein Verband so viele Entwicklungen verschläft, dass seine Athleten zum ersten Mal seit 50 Jahren keine olympische Medaille gewinnen?
    Und Beispiel Rodeln. Ja, Rodeln. Trotz der vier ersten Plätze, die im Übrigen wegen der international einzigartigen Trainingsbedingungen und der millionenschweren Förderung in Deutschland Pflicht waren: Wie kann es sein, dass es während der Olympischen Spiele eine Art Standort-Debatte gibt, in der sich Athleten vom Stützpunkt in Thüringen beklagen, dass sie schlechtere Voraussetzungen haben als Athleten in Bayern?
    Egal, ob die deutschen Sportfunktionäre diese Probleme verdrängt oder nicht erkannt haben – sie hätten vorher gelöst werden müssen. Dann hätte es auch mehr deutsche Medaillen gegeben in Sotschi – übrigens nicht nur in den traditionellen Sportarten und Disziplinen, sondern auch in denen, die das jugendliche, stylische Olympia verkörpern sollen und in Sotschi neu im Programm waren.
    Aber: Als etwa die Snowboarder am ersten Wettkampf-Wochenende im Slopestyle für die ersten wirklich beeindruckenden sportlichen Bilder dieser bis dahin so ungeliebten Spiele sorgten, waren die deutschen Farben nicht zu sehen.
    Wenn dieses Land bei sportlichen Großereignissen wie Olympia seinen eigenen, berechtigten Ansprüchen nicht weiter hinterherlaufen will, muss viel Staub weggewischt werden. Nur dann können die deutschen Athleten auch so mit Medaillen glänzen, wie es das System von ihnen erwartet.