
Immer, wenn in Bezug auf den russisch-ukrainischen Krieg das Wort "Frieden" fällt, ist man gerade, aber nicht nur in Deutschland beinahe begeistert. Tatsächlich wäre es wünschenswert, dass das Sterben mitten in Europa baldmöglichst aufhört. So dürften selbst Menschen, die auf US-Präsident Donald Trump skeptisch blicken, auf sein Telefonat mit Wladimir Putin vom Mittwoch mit Optimismus geschaut haben. Vielleicht hat das Ganze ja doch schneller als gedacht ein Ende. Zumal sich Trump selbst fast euphorisch zum Gespräch mit dem russischen Diktator äußerte.
Doch seit Freitag steht auch die Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance an der Münchner Sicherheitskonferenz im Raum, bei der deutlich wurde, dass die mächtigste Demokratie der Welt keinen großen Wert mehr auf die Abwehr diktatorischer Regime legt. Von Russland und China gehe keine besondere Bedrohung aus, findet Vance.
Was Putin sagt – und was er wirklich meint
Liest man jedoch die Pressemitteilung des Kremls, entsteht ein anderes Bild. Dort ist von der Notwendigkeit die Rede, die, Zitat: "ursprünglichen Ursachen" des Konflikts zu beseitigen. Auch davon, dass Russland einen "vollumfassenden Frieden" anstrebt. Wer der langen pseudohistorischen Rede Wladimir Putins zur Geschichte der Ukraine kurz vor dem russischen Angriff im Februar 2022 zuhörte, weiß, was er darunter wirklich versteht: bloße Existenz des ukrainischen Staates und der politischen ukrainischen Nation, zumindest jenseits der russischen Einflusssphäre.
Außerdem machen Kreml-Vertreter stets deutlich, dass sie einen schlichten Waffenstillstand ablehnen – und erst mit einem voll ausgehandelten Deal zufrieden wären, in dem sich die Ukraine etwa zur radikalen Verkleinerung der Armee und zur offiziellen Anerkennung der besetzten Gebiete als russisch verpflichtet. Die Position des Trump-Teams ist dagegen, dass zunächst einmal die Waffen einfach ruhen sollten.
Sieg für den Aggressor
Dass Putin überhaupt mit einem US-Präsidenten telefonieren durfte, ist bereits eine riesige Niederlage für die USA als Anführer der freien demokratischen Welt und ein großer Sieg Putins. Denn dass die Vorgängerregierung von Joe Biden auf direkte Kontakte verzichtete, hatte einen guten Grund: den russischen Angriff auf die Ukraine. Es hat sich nichts verändert: Russland führt seinen Angriffskrieg tagtäglich brutal weiter.
Ein persönliches Treffen mit Trump wäre ein noch größerer Erfolg, der eindeutig unterstreichen würde, dass der Aggressor international nicht isoliert ist. Putin wünscht sich das, versteht sich. An der militärisch-politischen Realität des russisch-ukrainischen Krieges ändert dies aber gar nichts.
Denn Russland führt diesen Krieg nicht dafür, um einige wenige ukrainische Regierungsbezirke zu kontrollieren. Das längerfristige Mindestziel Putins ist, aus dem von Kiew kontrollierten Teil des Landes zumindest eine Art Lukaschenkos Belarus zu machen.
Das kann auf unterschiedlichem Wege und auch über aktuelle Kampfhandlungen hinaus erreicht werden. An der Front stößt Putins Armee vielleicht nicht so schnell wie gewünscht vor, behält die strategische Initiative aber seit Oktober 2023. Und Russland hat durchaus Gründe, zu erwarten, für die Fortsetzung seines langen Zermürbungskrieges mehr Ressourcen als die Ukraine zu haben.
Der Weg zum Waffenstillstand
Ob Putin daher genügt, dass die Ukraine auf ihre NATO-Perspektive verzichtet, deren Mitgliedstaaten aber weiter Waffen liefern, so das grobe Konzept des Trump-Teams, ist äußerst fraglich. Denn es ist nicht die NATO-Mitgliedschaft per se, die Putin verhindern will. Diese würde nur die Chancen, die Ukraine in der Zukunft zu besetzen, radikal verkleinern. Damit ein längst auch von Kiew gewünschter Waffenstillstand zu adäquaten Bedingungen entstehen kann, braucht es zumindest zwei Faktoren: Stabilisierung der Frontlinie und eine deutliche Verschlechterung der Wirtschaftslage in Russland. Sonst kann der Ukraine nur der Frieden auf Kosten ihrer Integrität aufgezwungen werden. Es bleibt zu hoffen, dass Donald Trump dies irgendwann versteht – und Europa endlich entsprechend handelt.