Am meisten lernt man ja durch die Fehler Anderer. Insofern muss man der „Welt am Sonntag“ und dem Springer-Verlag dankbar sein, dass sie am Wochenende einen Wahlaufruf von Elon Musk zugunsten der AfD veröffentlicht haben. Denn das war ein journalistischer Fehler und eine Grenzüberschreitung.
Beides hat aber zu einer Diskussion geführt, die wir brauchen. Denn wir müssen über die Frage reden, welche politischen und wirtschaftlichen Interessen diejenigen verfolgen, die hinter dem Gastbeitrag stehen: nicht nur Elon Musk, sondern auch der Springer-Verlag, der Musk dem Branchendienst Medieninsider zufolge um den Beitrag gebeten hat.
Springer-Vorstand Döpfner sucht Musks Nähe
Musk sorgt sich nicht um die deutsche Politik, von der er erkennbar wenig Ahnung hat, sondern um seine Investments als Unternehmer. Als solcher ist er daran interessiert, möglichst viel Geld zu verdienen, seine Tesla-Autos in Deutschland zu verkaufen und sein Tesla-Werk in Brandenburg zu betreiben. Deshalb fordert er weniger Bürokratie und Regulierung sowie scheinbar billigen Atomstrom.
Auf seinem eigenen sozialen Netzwerk X verbreitet er rechtsextremes Gedankengut und Verschwörungsmythen und erlangte auch damit einen Job unter dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump, wo er politische Rahmenbedingungen für seine wirtschaftlichen Interessen selbst mitgestalten kann.
Springer wiederum expandiert seit einigen Jahren in die USA. Der Vorstandsvorsitzende und de facto Haupteigner Mathias Döpfner bewundert Musk und sucht dessen persönliche Nähe, wohl auch, um Springer beim Umbau der US-Wirtschaft Vorteile zu verschaffen. 2020 verlieh Döpfner Musk den „Springer Award“, der ein Instrument der Unternehmenspolitik ist. Als ein solches wirkt auch Musks Gastbeitrag.
Dafür lässt sich sogar auch der designierte Welt-Chefredakteur Jan Philipp Burgard instrumentalisieren. In dessen Entgegnung, die dem Musk-Beitrag nach redaktionsinterner Kritik gegenübergestellt worden war, adelt er Musks fragwürdige Argumente als politisch diskutabel. Burgard nennt ihn bewundernd das „größte unternehmerische Genie unserer Zeit“ und findet dessen Diagnose der kulturellen und wirtschaftlichen Situation Deutschlands korrekt, nur seinen Therapieansatz falsch.
Musks Beitrag hat nichts Substantielles zu bieten
Wenn Burgard und sein Vorgänger Ulf Poschardt jetzt zur Verteidigung sagen, zur Meinungsfreiheit gehöre auch, sich mit polarisierenden Positionen auseinanderzusetzen und diese journalistisch einzuordnen, haben sie Recht. Aber erstens hat Musks Beitrag nichts Substanzielles zu einer Debatte beigetragen. Und zweitens: So etwas hätte man besser in einem kritischen Interview gelöst, nicht mit einem Gastbeitrag, wie man ihn von den AfD-Chefs persönlich wohl nicht veröffentlichen würde. Zumal Musks Beitrag wie bei Gastbeiträgen üblich von Fehlern wimmelt, weil er offenbar nicht redaktionell redigiert wurde.
Trotzdem oder gerade wegen der Veröffentlichung muss man Springer und der „Welt“ dankbar sein. Sie lenken das öffentliche Interesse auf die Verflechtung von Politik und Wirtschaft, auf die mangelnde Regulierung von X und auf die Interessenskonflikte des Springer-Verlages.