50 weitere Jahre soll die Suche nach einem Endlager für hoch radioaktiven Atommüll also noch dauern. Ein Gutachten des Öko-Instituts bringt es an den Tag: Selbst ein Abschluss im Jahr 2074 ist nur schwer zu schaffen. 113 Jahre nach Inbetriebnahme des ersten Atomreaktors in Deutschland! Was in der Öffentlichkeit für ungläubiges Staunen sorgt, überrascht die Fachwelt kaum: Dort war von Anfang an klar, dass der ursprüngliche Zeitplan mit Standort-Festlegung im Jahr 2031 völlig unrealistisch war.
Der Grund liegt auf der Hand: Es ist enorm anspruchsvoll, ein sicheres Lager für Stoffe zu finden, die mindestens eine Million Jahre lang von jedem Kontakt mit dem Menschen abgeschirmt werden müssen. Deutschland befindet sich bei der Endlagersuche in schlechter Gesellschaft von mehr als 30 Ländern, die ins Atomkraftzeitalter eingestiegen sind, ohne zu wissen, wohin mit dem strahlenden Müll. Die meisten schieben diese Aufgabe auch heute vor sich her, immerhin: In Finnland steht die Eröffnung des Endlagers wenigstens kurz bevor.
Falscher Standort in der Asse
Extrem gefährlicher Atommüll am falschen Standort kann dazu führen, dass ganze Regionen unbewohnbar werden. Niemand vermag heute zu beurteilen, ob künftige Generationen in Tausenden von Jahren in der Lage sein werden, das Risiko überhaupt einzuschätzen. Und wir sind gewarnt: Für schwach und mittelstark strahlenden Abfall hat Deutschlands damalige Regierung bereits einmal eine falsche Standortentscheidung getroffen: In den Salzstock in der Asse, Endlager seit 1967, bricht Wasser ein, und es ist nicht klar, ob die radioaktiv belasteten Fässer jemals wieder herausgeholt werden können.
Trotzdem: Noch einmal 50 Jahre Endlagersuche, das ist völlig unzumutbar. Es bedeutet jahrzehntelange Unsicherheit und ist auch für sich genommen ein Risiko: Wer will das überblicken und bei Zeitverzögerungen einschreiten? Wie soll die Öffentlichkeit so lange mit Interesse dabeibleiben? Und ist der gesellschaftliche Rahmen, in dem das Verfahren abläuft, überhaupt so lange stabil?
Zwischenlager für Atommüll nicht sicher
Dazu kommt: Derzeit lagert bereits eine große Menge radioaktiver Müll aus den nun stillgelegten deutschen Atommeilern in Zwischenlagern. Doch die sind nur für 40 Jahre ausgelegt, und davon sind mancherorts schon mehr als 30 Jahre vergangen. Heute lagert der Atommüll überwiegend in Castorbehältern, die nicht für so lange Zeiträume gebaut worden sind. Zur Überbrückung bräuchten wir Langzeit-Lager, die den Atommüll für vielleicht 100 Jahre aufnehmen, inklusive möglicher Umverpackung der radioaktiven Stoffe.
Es muss also schneller gehen. Das ist auch möglich, denn der Prozess kann entschlackt werden – auch ohne Abstriche an der Bürgerbeteiligung. Ein Beispiel: Mehr als die Hälfte der Fläche Deutschlands ist nach derzeitigem Verfahrensstand prinzipiell geeignet. Ein großer Teil davon scheidet aber aus, etwa weil er zu dicht besiedelt oder von Hochwasser bedroht ist. Solche Regionen können und müssen zügig aus dem Verfahren genommen werden. Wir müssen möglichst schnell zu den wenigen Standorten kommen, die wirklich infrage kommen.
Verfahren muss beschleunigt werden
Doch genau bei dieser Aufgabe ist der Anreiz groß, sie vor sich her zu schieben – an jedem denkbaren Ort wäre ein Aufschrei der Empörung programmiert. Und so fehlen Politikerinnen und Politiker, die die Suche nach einem Endlager zu ihrer Aufgabe machen. Mit der Aussicht auf Gewerbesteuern durch den Betrieb eines Kernkraftwerks konnte man lange Zeit Stimmen gewinnen, mit der Endlagersuche geht das nicht.
Das Gutachten des Öko-Instituts hat die Debatte um die Endlagersuche neu entfacht und das ist gut so. Es zeigt vor allem: Ein „Weiter so“ wäre unverantwortlich. Es kann nur als Weckruf gelesen werden und muss zu einer entscheidenden Beschleunigung des Prozesses führen.