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Kommentar zur EU-Asylreform
Jahrelang verschleppter Kompromiss

Nach langem Streit scheint eine EU-weite Einigung beim Asylrecht möglich. Dabei stehe das Prinzip Abschottung im Mittelpunkt, meint Katharina Hamberger. So könne die europaweite Lösung für Streit bei der Ampel sorgen.

Hamberger, Katharina |
Ein Mann in einem orangenen Taucheranzug sitzt auf einem Schlauchboot und beobachtet ein Boot mit Geflüchteten, das im Meer treibt. Im Hintergrund ist ein Schiff. Das Bild ist vor der Küste der italienischen Insel Lampedusa aufgenommen.
Wie sollen zukünftig in der EU Geflüchtete verteilt werden? Diese Frage sorgt zwischen den EU-Staaten weiterhin für Streit. (picture alliance / ROPI / Emergency / Fotogramma)
Die Reform des europäischen Asylsystems ist ohne Frage enorm wichtig. Seit Jahren wird auf europäischer Ebene darum gerungen und gestritten, lange ging es weder vorwärts noch rückwärts. Nun ist eine Einigung in dieser Woche zumindest nicht ausgeschlossen.
Aber das Paket, über das die EU-Innenminister und -ministerinnen abstimmen könnten, ist Ausdruck des jahrelangen Verschleppens der Reform. Es ist ein Kompromiss, der vor allem von dem Willen getragen ist, noch vor der Europawahl im kommenden Jahr etwas auf den Tisch legen zu können.

Abschied vom Solidarprinzip

Trotz noch einiger offener Fragen ist die Richtung bereits klar: Von einem echten solidarischen Prinzip ist nicht mehr viel übrig, die Abschottung steht im Mittelpunkt und es besteht die Gefahr, dass bei den Verfahren und den notwendigen Rückführungen und Abschiebungen die Humanität auf der Strecke bleibt. Die deutsche Regierung will das Paket dennoch mittragen.
So soll es in Zukunft zwar eine Verteilung von Geflüchteten innerhalb der EU geben, aber eben nicht verpflichtend. Das ließ und lässt sich innerhalb der viel beschworenen "Solidargemeinschaft" EU offenbar nicht durchsetzen. Stattdessen sollen sich Staaten aus der Verteilung rauskaufen können.
Auch ist im Moment bei den sogenannten Grenzverfahren - also beschleunigte Verfahren für Menschen, deren Chance einen Schutzstatus in der EU zu bekommen, gering ist - immer noch unklar, ob sie in der Praxis an den EU-Außengrenzen funktionieren. Und vor allem, ob die Menschen, die sie durchlaufen müssen auch menschenwürdig behandelt werden.
So soll die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit dem jeweiligen Mitgliedsstaat obliegen, der das Verfahren durchführt – was befürchten lässt, dass die EU-Kommission bei Verstößen dagegen einfach wieder die Augen zu macht. So wie das jetzt auch schon geschieht - Beispiel illegale Pushbacks.
Hinzu kommt der Plan, über umfangreiche Abkommen mit sogenannten sicheren Drittstaaten dafür zu sorgen, dass die EU sich mit einem großen Teil der Geflüchteten erst gar nicht mehr wirklich beschäftigen muss. Falls solche Abkommen überhaupt gelingen, dann stellt sich unter anderem auch hier die Frage nach der Einhaltung der Menschenrechte - und zwar nicht nur auf dem Papier.

Es rumort bei SPD und Grünen

Gut ist, dass sich die Bundesregierung dafür einsetzen will, dass Familien mit minderjährigen Kindern von den beschleunigten Grenzverfahren ausgenommen werden. Aber „einsetzen“ dürfte eben auch nicht heißen, dass man sich dafür bis zum Ende verkämpfen wird, denn Deutschland will diese Einigung.
Es ist sowieso bemerkenswert, dass es nun ausgerechnet diese Bundesregierung ist, zu der zwei linke Parteien gehören, die dem zustimmen will. Entsprechend rumort es bei den Sozialdemokraten und den Grünen.
Die Kritik, in Form von Briefen, richtet sich vor allem gegen die die eigenen Minister und Ministerinnen. So könnte es sein, dass die Bundesregierung am Donnerstag eine Einigung auf EU-Ebene lobt, in der Koalition, vor allem bei Grünen und SPD aber nur noch mit Müh und Not die eigenen Reihen geschlossen halten kann.