Kommentar zur "D-Day"-Affäre
Wie Parteien das Misstrauen in die Politik nähren

Der FDP-Skandal könnte eine Warnung für alle sein, die im Wahlkampf auf lautes Getöse setzen wollen. Denn davon profitieren vor allem jene, die bislang keine Lösungen bieten müssen.

Von Korbinian Frenzel |
Politiker Christian Lindner (FDP), Bundesminister für Finanzen, senkt seinen Kopf.
Christian Lindner bei einem Bürgerdialog. Nach der D-Day-Affäre stellt sich zunehmend die Frage, was aus der FDP geworden ist. (picture alliance / Panama Pictures / Christoph Hardt)
Wer gehofft hatte, wir hätten es schon hinter uns: die schmutzige Wäsche dieser Trennung, das Ende dieser Ampelkoalition mit all den Schuldzuweisungen und gekränkten Eitelkeiten, der musste in den letzten Stunden und Tagen tapfer sein. Nein, dieses Ampel-Aus ist mehr als der sachlich begründete Bruch einer Koalition. Es ist alles andere als eine offene Feldschlacht. Es ist eine schmutzige Schlammschlacht.
Beim besten Willen, nicht immer automatisch der FDP die Schuld für alles zu geben: Hier stoßen selbst die Wohlmeinendsten an ihre Grenzen. Der perfide Plan innerhalb der FDP, Streit zu säen, um die Trennung zu ernten, ist eben nicht in der Geheimschublade geblieben.

Die "Feldschlacht" könnte für die FDP zum Waterloo werden

Die Rücktritte sprechen für sich. Aber sie werden kaum verhindern können, dass diese „offene Feldschlacht“ zum Waterloo der Liberalen werden könnte. Zu groß ist der Vertrauensverlust. Zu sehr stellt sich die Frage, was aus dieser FDP geworden ist. Dieser FDP, die doch mal so etwas wie das korrigierend-rationale Zentrum der Bonner Republik war und jetzt einmal mehr zeigt, dass ihr die nötige Ernsthaftigkeit fehlt, um den Job zu machen: die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt zu regieren.
D-Day, im Ernst? Dürfte man als Bürger nicht darauf hoffen, dass sich politische Strategen in den Parteizentralen Szenarien ausdenken, wie der Ukraine-Krieg endet – und nicht, wie die eigene Regierungskoalition zerbricht? Wie die Wirtschaft wächst – und nicht, wie die eigenen bescheidenen Umfragewerte steigen? Wie wir das Land zusammenhalten – und uns nicht in der demokratischen Mitte mutwillig auseinanderdividieren? Politik ist, keine Frage, auch immer Strategie. Doch die Maßstäbe dürfen nicht verrutschen.

Misstrauen in die Lösungsfähigkeit der Politik

Dieser Skandal ist zuallererst ein FDP-Skandal. Doch lässt er sich so eindämmen? Oder liefert dieses Fehlverhalten aus der demokratischen Mitte nicht vielmehr Anlass für einen viel breiteren Vertrauensverlust in „die Politik“ insgesamt?

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Es passt in ein Gesamtbild des Misstrauens, das alle Parteien erfasst: Misstrauen in die Lösungsfähigkeit der Politik. Misstrauen in die Bereitschaft, Kompromisse einzugehen. Misstrauen, das eben auch von „der Politik“ selbst genährt wird – von Parteien, die den Anspruch aufgegeben zu haben scheinen, breite gesellschaftliche Mehrheiten zu erreichen. Stattdessen sprechen sie immer spitzere Zielgruppen an und verschärfen dabei ihre Rhetorik. Dieses Misstrauen – diese Illusion sollte sich Friedrich Merz nicht machen – lastet aktuell zwar vor allem auf den Ampel-Parteien, könnte aber ebenso schnell wieder auf die Union umschlagen.
Der FDP-Skandal sollte deshalb alle warnen, die möglicherweise am liebsten mit noch mehr Getöse in diesen Wahlkampf ziehen wollen. Von dieser Tonlage profitieren am Ende vor allem diejenigen, die – noch – weit davon entfernt sind, selbst Lösungen im Bund anbieten zu müssen. Falls noch mal jemand, wie im FDP-Papier, auf die Idee kommen sollte, Strategien in Pyramidenform aufzumalen: Ein Wert sollte dort fest verankert sein, egal ob oben oder unten – Verantwortung.