Wenn es eines Beweises bedurfte, wie schlecht es um das deutsch-französische Verhältnis bestellt ist – mit der Lieferung von Spähpanzern an die Ukraine hat Emanuel Macron ihn erbracht. Paris tut nun das, was Berlin lange verweigerte, liefert zumindest leichte Kampfpanzer. Auch Joe Biden schert sich nicht um den deutschen Regierungschef, stellt Kiew Schützenpanzer vom Typ Bradley in Aussicht, während die deutschen Schützenpanzer Marder seit Monate auf Industriehöfen vor sich hingammelten. Scholz wird nun nachziehen und wirkt dabei wie ein Getriebener, er wird aller Voraussicht nach Marder liefern und verkauft die Panzerlieferungen als eng mit den Verbündeten abgestimmt. Aber sieht so eine gelungene konzertierte Aktion aus? Wohl kaum!
Scholz hat nie die Initiative ergriffen
Eine militärische Führungsrolle hatte der Kanzler für Deutschland in Anspruch genommen, und doch nie die Initiative ergriffen. Es gab die Idee, alle Nationen, die den deutschen Kampfpanzer Leopard II besitzen, könnten sich zusammentun und die Ukraine damit unterstützen, damit wäre Scholz nicht der allein Handelnde gewesen – er hat es verworfen. Dabei hätten sich die USA das durchaus gewünscht: Als wirtschaftliche Führungsmacht hat Deutschland aus Sicht Washingtons mit Blick auf Waffenlieferungen eben noch Luft nach oben.
US-Außenminister Blinken gab bereits grünes Licht für deutsche Panzerlieferungen
Beim G7-Treffen in Münster hatte US-Außenminister Blinken sogar öffentlich grünes Licht für deutsche Panzerlieferungen gegeben. Doch Scholz fand immer wieder neue Gründe, warum die Ukraine nicht mit Panzern westlicher Bauart unterstützt werden dürfe: Die Ukrainer könnten sie nicht bedienen, die Ausbildung dauere viel zu lang, es gebe nicht genug Munition, zu wenig Ersatzteile. Als all das nicht überzeugte, griff der Kanzler zum Totschlagargument: Keine Alleingänge! Bis gestern noch ließ er das so erklären. Jetzt aber ist der Damm gebrochen. Seine grünen Minister Robert Habeck und Anna-Lena Baerbock deuten Bewegung an, noch bevor der Kanzler reagiert.
Scholz sieht sich als Sozialdemokrat in der Tradition Willy Brandts
Scholz aber wollte wohl immer beweisen, dass er ein „truly“, ein wahrer Sozialdemokrat in der Tradition Willy Brandts ist, so wie er es einmal mit großer Geste für sich in Anspruch genommen hatte. Die Vorbehalte gegen Panzerlieferungen sind in seiner SPD besonders groß und für Vorsicht und Zurückhaltung dürfte es gute Gründe geben: Kein Politiker, kein Militär, kein Journalist sollte sich anmaßen kalkulieren zu können, wie weit Putin wirklich zu gehen bereit ist.
Schlechte Ausreden aber haben die Sache nicht besser gemacht. Weil Scholz nicht wollte, gingen Biden und Macron voran – und Scholz watschelte hinterher. Jeder für sich im Alleingang. So jedenfalls kommt es rüber – wer das als geschlossenes Vorgehen gegen Putin verkaufen will, der sollte sich neue PR-Berater suchen.
Frank Capellan, geboren 1965 im Rheinland, studierte Publizistik, Neuere Geschichte und Politikwissenschaften, Promotion an der Universität Münster. Nach einer Ausbildung bei der Westdeutschen Zeitung folgte ein Volontariat beim Deutschlandfunk, dem er bis heute treu geblieben ist. Zunächst Moderator der Zeitfunk-Sendungen, unter anderem der Informationen am Morgen; seit vielen Jahren als Korrespondent im Hauptstadtstudio tätig, dort u. a. zuständig für die SPD und Familienpolitik.