Kommentar
Die zynische Gewöhnung an den Krieg in Gaza

Seit fast einem Jahr führt Israel Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen. Unter den mehr als 41.000 Toten sind viele Zivilisten, gerade wurde wieder eine Schule angegriffen. Doch Nachrichten wie diese rufen nur noch Achselzucken hervor.

Ein Einwurf von Jan-Christoph Kitzler |
Viele Menschen und Notunterkünfte auf dem Gelände einer teils zerstörten Schule im Gazastreifen nach einem Angriff der israelischen Armee
Mindestens 18 Menschen sollen bei dem Angriff der israelischen Armee auf eine Schule im Gazastreifen getötet worden sein. Israel sprach von einem präzisen Schlag gegen ein Kommando-Zentrum der Hamas. (picture alliance / Anadolu / Moez Salhi)
Israel hat eine Schule im Gazastreifen angegriffen. 18 Tote hat es wohl gegeben – und wenn es nicht furchtbar zynisch wäre, müsste man sagen: Es kräht kein Hahn danach. Haben wir uns an solche Nachrichten schon gewöhnt?
Auch daran, dass diese Schule natürlich schon lange keine Schule mehr ist, sondern dass dort 12.000 Menschen Schutz gesucht haben vor dem Krieg. Und ja: Auch daran, dass es immer wieder heißt: Die Hamas oder andere bewaffnete Gruppen hätten von der Schule aus operiert – also mitten aus einem geschützten Raum.
Gewöhnt haben wir uns auch an die Erklärungen der Israelischen Streitkräfte: Es habe in der Schule eine Kommando-Zentrale der Hamas gegeben, die man angegriffen habe, mit einem - so wörtlich - „präzisen Schlag“.
Mal abgesehen davon, dass es unfassbar viele dieser Kommandozentralen in Gaza geben muss: Die Folgen dieser „präzisen Schläge“ kann man anhand abstrakter Zahlen ermessen: Mehr als 41.000 Tote hat der Krieg in Gaza bisher gefordert und fast 100.000 Verletzte – diese Zahlen unterscheiden nicht zwischen bewaffneten Kämpfern und Zivilisten. Aber dahinter stehen noch hunderttausende Menschen, die um Angehörige trauern, die zu Weisen geworden sind.
Viele von ihnen hätten eigentlich in eine dieser Schulen gehen sollen, die jetzt angegriffen wurde: Gerade beginnt auch in Gaza ein neues Schuljahr für rund 625.000 Schülerinnen und Schüler. Jetzt werden sie in Zelten zwischen den Trümmern unterrichtet, oder auch gar nicht. Gerade werden im Gazastreifen 640.000 Kinder bis zehn Jahre geimpft, um eine Polio-Epidemie noch zu verhindern. Was für Zahlen braucht es noch, um zu verdeutlichen, wie viele Unschuldige dieser Krieg im Gazastreifen trifft?

Krieg als Dauerzustand

Und doch, so scheint es, macht sich nach fast einem Jahr ein allgemeines Achselzucken breit, was diesen Krieg angeht. Benjamin Netanjahu, Israels Regierungs-Chef, ist offenbar entschlossen, ihn in einen Dauerzustand zu verwandeln. Daran ändert auch der Druck hunderttausender Israelis nichts, die auf die Straße gehen und eine Waffenruhe fordern. Nicht so sehr, weil ihnen das Leben der Menschen in Gaza wichtig wäre – es geht ihnen um die Geiseln, die immer noch verschleppt sind und die Furchtbares durchmachen, wenn sie denn noch am Leben sind.
Druck von außen scheint auch nichts zu bewirken – wobei das Wort „Druck“ mit Blick auf Herumgeeiere der deutschen Außenpolitik nicht das richtige Wort ist. Auch die USA, die im Nahen Osten den Unterschied machen könnten, sind vor der anstehenden Präsidentenwahl immer mehr mit sich selbst beschäftigt.
Mit gesundem Menschenverstand betrachtet ist klar: Der Krieg in Gaza muss enden. Damit die Geiseln freikommen, damit die humanitäre Katastrophe dort bekämpft werden kann. Und auch, damit sich die anderen Eskalationsherde, im Norden Israels mit der Hisbollah und auch im Westjordanland, beruhigen. Und die vielen Opfer dieses Krieges in Israel und in Gaza brauchen eine Perspektive und begründete Hoffnung auf ein Leben in Frieden und Sicherheit. Die kommt sicher nicht, wenn man in Gaza weiter Schulgebäude bombardiert.