Kommentar zu häuslicher Gewalt
Ein Anspruch auf Hilfe ist wichtig

Die Dunkelziffer beim Thema häusliche Gewalt ist hoch und doch werden immer mehr Fälle in diesem Bereich registriert. Betroffene brauchen einen Anspruch auf Hilfe, da sollte auch der Bund in die Pflicht genommen werden.

Ein Kommentar von Gudula Geuther | 08.06.2024
Illustration: Frau kauert in einer Ecke mit Schatten eines gewalttätigen Mannes.
Häusliche Gewalt: Wer sich überwindet, Hilfe zu suchen, muss die auch leicht finden. (picture alliance / Ikon Images / Neil Webb)
In wenigen Deliktsbereichen ist die Dunkelziffer so hoch wie bei häuslicher Gewalt. Scham, Scheu, Abhängigkeit und Bindungen halten Betroffene oft davon ab, sich Hilfe zu holen und erst recht davon, gegen den Täter vorzugehen.
So absurd das klingt: Vielleicht steckt vor dem Hintergrund in den steigenden Zahlen häuslicher Gewalt sogar etwas Gutes. Denn in der Statistik steht ja nicht, welche Frau, welches Kind – übrigens auch: welcher Mann - misshandelt wurde. Die Zahlen geben nur Auskunft über das, was der Polizei bekannt geworden ist. Mehr registrierte Straftaten können also schlicht bedeuten, dass mehr Fälle ans Licht gekommen sind. Zum Beispiel auch, weil Freundinnen, Kollegen, Nachbarn sich kümmern.

Wenn der Rückzugsraum zum Angstraum wird

Allerdings spricht sehr viel dafür, dass das allenfalls ein Teil der Wahrheit ist. Gewaltdelikte nehmen insgesamt zu. Das ist generell so in krisenhaften Zeiten. Und es ist nahe liegend, dass Verunsicherung, Überforderung, auch wirtschaftliche Schwäche Menschen besonders gegenüber ihrem nächsten Umfeld zu Tätern werden lässt.
Für die Betroffenen ist das besonders schlimm, weil es ihr privater Raum ist, das, was eigentlich Schutz- und Rückzugsraum sein sollte, der ihnen damit verloren geht, der zum Angstraum wird. Und gerade weil die Taten nicht immer von außen sichtbar sind, brauchen die Betroffenen mehr als andere Hilfe von außen.

Plätze in Frauenhäusern fehlen

Wer sich überwindet, Hilfe zu suchen, muss die auch leicht finden. Deshalb ist es richtig, dass die Bundespolizei an Bahnhöfen rund um die Uhr geschulte Beamte einsetzen will – als weitere Kontaktmöglichkeit. Es gibt viele, viele Menschen, die sich professionell oder ehrenamtlich kümmern, es gibt Frauenhäuser und Schutzwohnungen, es gibt eine App, die für mögliche Täter nicht sichtbar installiert werden kann, es gibt die Nummer gegen Kummer für Kinder und das anonyme Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“.
Aber gerade die Fachleute, die sich da engagieren, beklagen auch, dass es immer wieder keinen Platz im Frauenhaus gibt oder Beratung in anderen Sprachen. Schutz ist derzeit tatsächlich eine freiwillige Leistung der Kommunen.
Das Gesetz, das Familienministerin Paus plant, würde für einen Anspruch auf Hilfe sorgen, und das heißt ganz praktisch: Dafür, dass in jedem Bundesland eine Stelle ansprechbar und verantwortlich dafür ist, dass es Hilfe gibt. Das wäre wichtig. Auch wenn es heißt, dass der Bund Geld dazugibt – immerhin geht es um Sicherheit.
Und wichtig ist auch, dass außerdem die Täter stärker in die Pflicht genommen werden sollen, an sich zu arbeiten. Allein schon, weil Frauenhäuser nichts für den Aufenthalt auf Dauer sind. Und nicht alle Betroffenen schaffen den Absprung aus der Beziehung.