Das Kalkül der Hamas geht auf: Die Bilder aus dem Gazastreifen, die unter ihrer strengen Kontrolle nach draußen dringen, zeigen ausschließlich das wachsende Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung - nicht ihre immer noch unzähligen Waffenlager unter Krankenhäusern und Schulen, nicht die Angriffstunnel, die immer noch funktionierenden Abschussrampen der Raketen. Zuletzt war vor wenigen Stunden wieder ein ganzes Bündel auf Tel Aviv abgefeuert worden.
Der Ruf jetzt nach einer Feuerpause, unterstützt von großen Teilen der Weltöffentlichkeit, die die Bilderflut aus Gaza nicht mehr erträgt, ist integraler Teil des Plans der Hamas. Eine Feuerpause würde ihren Kämpfern Zeit geben, sich nicht mehr verstecken zu müssen, sondern neu zu organisieren. So könnten sie dann auch die israelischen Soldaten besser angreifen, die sich jetzt mitten im Gazastreifen befinden, um die Terror-Infrastruktur weiter auszuschalten.
Dass die Islamisten viele Geiseln in ihrer Hand haben, macht ihr Spiel noch perfider. Die Hamas weiß, dass Israel in dieser Frage sehr empfindlich ist, dass es 2011 für einen einzigen Soldaten – der fünf Jahre lang in einem ihrer Verliese weggeschlossen war - mehr als tausend palästinensische Gefangene freigelassen hat.
Die Hamas will Zeit gewinnen
Was jetzt passiert, ist die schlimmste Form von Erpressung. Die Hamas versucht sich in einer Scheibchentaktik, will allenfalls kleine Grüppchen von Verschleppten freilassen. Damit will sie Zeit gewinnen. Gleichzeitig positioniert sie sich als eine Bewegung, die einen dauerhaften Kampfzustand mit Israel durchzusetzen versucht und dabei auch andere Kräfte mit hineinziehen möchte – im Westjordanland, im Libanon, radikale Schiiten und arabische Staaten der Region wie den Jemen.
Aus israelischer Sicht gibt es keine guten Alternativen zum militärischen Vorgehen, um für die eigene Bevölkerung wieder Sicherheit herzustellen. Besonders betroffen sind die inzwischen evakuierten Bewohner aus dem Süden, deren Familien gefoltert, ermordet und verschleppt wurden.
Solang die Hamas nebenan als Terrormiliz weiter existiert, wollen die mehr als hunderttausend Binnenflüchtlinge nicht in ihre – oftmals total zerstörten – Ortschaften zurückkehren. Wenn es zuvor Hoffnung gab, in unmittelbarer Nachbarschaft mit der Hamas zu leben, so ist es damit vorbei.
Frieden ist nur ohne die Hamas möglich
Zum Status Quo Ante will man nicht zurückkehren. Zumal die Sprecher der Hamas keinen Hehl daraus machen, das Massaker vom 7. Oktober zu wiederholen, sollte sie die Gelegenheit dazu bekommen. Wie immer eine mögliche Nachkriegsordnung aussehen könnte, die den Israelis und den Palästinensern den Weg in eine bessere Zukunft weist, so kann diese wohl kaum eine militarisierte Hamas mit einschließen.