Das Hochwasser in Bayern ist eine Katastrophe. Tausende Menschen haben ihr Hab und Gut verloren, als zunächst Günz, Mindel, Zusam und Schmutter über die Ufer traten. Gewöhnlich beschauliche Zuflüsse der weiten Donau. Viele Menschen stehen vor den Trümmern ihrer Existenz.
An Straßen türmen sich Müllberge wie ein Tiefdruckgebiet auf der Karte. Im allabendlichen Wetterbericht schoben sich die Wassermassen von Schwaben und Oberbayern bis nach Passau an die Grenze zu Österreich und Tschechien. Ein paar Flutpolder entlang der Donau auch das zeigen diese Tage, reichen dazu Vorsorge längst nicht mehr aus.
Die Menschen sind mit den Nerven am Ende und auch mit ihren Kräften doch gleichzeitig, so berichten es die Kolleginnen und Kollegen aus dem Flutgebieten, gleichzeitig ereignet sich bemerkenswertes: Nachbarn unterstützen sich gegenseitig beim Auspumpen der Keller, Verwandte bieten Betten an, wildfremde helfen bei der Evakuierung.
Flut bringt Menschen zusammen
Sogar in den sozialen Medien, wo sonst Häme und Hetze den Ton bestimmen, werden nun wertvolle Informationen gepostet und Hilfsangebote. In Zeiten also, in denen viele über die wachsende Spaltung der Gesellschaft klagen, vermitteln die vergangenen Tage eine ganz andere Botschaft: die der Solidarität. Das gilt nebenbei bemerkt auch für die Politiker, Kanzler, Ministerpräsident, Wirtschaftsminister, die umgehend in Gummistiefel stiegen und in das Notstandsgebiet reisten. Richtig so! Ihr Signal gleicht dem der Bürgerinnen und Bürger: Wenn es ernst wird, halten wir zusammen.
Zu wünschen wäre, dass dieses Gemeinschaftsgefühl über die schlimmen Tage des Hochwassers hinausträgt. Scholz, Söder, Habeck, SPD, CSU, Grüne: Sie alle waren sich bei ihren Fernsehstatements in den von der Flut gezeichneten Dörfern und Städten genauso einig wie die Wetterforscher. Angesichts des Klimawandels werden solche Extremwetterereignisse sich künftig häufen. Wir müssen uns besser darauf vorbereiten. Dabei geht es um Flutpolder und Überlaufflächen, um eine ausreichende und professionelle Ausstattung für die freiwilligen Feuerwehren, für das THW und für so viele mehr.
Städte und Gemeinden werden sich fragen müssen, ob sie bei der Vergabe von Baurecht in riskanten Gebieten künftig zurückhaltender sein sollten. Vor allem aber kommt es darauf an, dass sich Politik und Gesellschaft zusammenraufen, um dem Klimawandel wirkungsvoll zu bekämpfen und zwar auch dann, wenn das Geld kostet und Opfer bedeutet.
Sicher, die Debatte über das handwerklich anfangs vermurkste sogenannte Heizungsgesetz von Wirtschaftsminister Habeck hat die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger für den Klimaschutz in die eigene Tasche zu greifen nicht gerade erhöht - um es mal vorsichtig zu sagen.
Zusammenarbeit um Klimaschutzziele zu schaffen
Und auch das überstürzte Aus der Kaufprämie für Elektroautos war ganz sicher kein Meisterwerk der Regierungskunst. Und dennoch wenn die Unionsparteien nun im sich zu Ende neigenden Europawahlkampf ausgerechnet ihre Attacken auf das vermeintliche Verbrennerverbot in das Zentrum ihres Wahlkampfs stellen, dann ist das angesichts der Flut fast schon zynisch.
Europa und Deutschland haben sich zu ehrgeizigen Klimaschutzzielen verpflichtet. Spätestens im Jahr 2050 sollen die Menschen auf dem ganzen Kontinent klimaneutral leben und wirtschaften. Wie will Deutschland diese Ziele je erreichen, wenn sich die Politik aus Furcht vor dem Wähler gar nicht mehr traut, Vorschläge zu machen, wie sich CO2 bei den großen Emittenten Verkehr und Gebäude einsparen lässt?
Wenn das Hochwasser eines lehrt, wenn die Reaktion der Bürgerinnen und Bürger in den betroffenen Gebieten eines zeigt, dann dies: Beim Klimaschutz ist es an der Zeit, aus den ideologischen Gräben zu klettern. Jeder kann etwas einbringen. Die Grünen haben, etwas holzschnittartig gesagt, gute Ideen. CDU und CSU vielleicht eher das Know-how, diese Ideen dann so umzusetzen, dass sie einer sauberen europäischen Wirtschaft einen Wettbewerbsvorteil auf den Weltmärkten verschaffen. Und die SPD? Die kann auf den sozialen Ausgleich achten. Denn nicht jeder kann sich eine aufwendige energetische Sanierung seiner Wohnung leisten.
Liebe Politikerinnen und Politiker, das Signal aus Bayern ist so laut wie eindeutig: Rauft euch endlich zusammen - beim Klimaschutz und am besten sonst auch!